Zermürbender Kampf

Ein deutsch-ghanaisches homosexuelles Paar kämpft seit Jahren vergeblich darum, sich in Deutschland als Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen. Das aber scheitert an komplexen Visa- und Glaubwürdigkeitsforderungen der Bremer Behörden

Wenn Schwule oder Lesben in Deutschland heiraten wollen, müssen sie „gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen“, heißt es in dem „Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft“, das die rot-grüne Bundesregierung 2001 beschloss. „Die Erklärungen werden wirksam, wenn sie vor der zuständigen Behörde erfolgen“, heißt es weiter in dem Gesetz. Die persönliche Anwesenheit vor dem Standesbeamten ist also erforderlich. Bei Lebenspartnerschaften mit einem ausländischen Partner greift das Ausländerrecht, wonach der Partner legal nach Deutschland eingereist sein muss und weder ausgewiesen noch abgeschoben worden sein darf. Außerdem muss die „lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft“ tatsächlich gelebt oder doch ernsthaft beabsichtigt werden. Ein Sex-Nachweis ist nicht erforderlich. Er wäre auch rechtswidrig.  TAZ

VON JAN ZIER

Herr P. ist schwul. Bei dieser Feststellung könnte man es eigentlich bewenden lassen. Der Mann ist glücklich liiert und das schon seit 1991. Noch immer verklärt sich sein Ausdruck, wenn er von jenem Tag erzählt, an dem er Herrn D. begegnete, an einer Raststätte in Ghana. P. war als Tourist im Land, die beiden saßen sich zufällig gegenüber. „Ein Blick, und es hat geknallt.“ Die folgende Nacht haben sie schon zusammen verbracht. Wieder gesehen haben sie sich erst sieben Jahre später. Und dann nochmal im Jahr 2001. Wäre P. heterosexuell – er könnte schon lange verheiratet sein. Und D. könnte in Deutschland leben.

Aber so ist es nicht: Bereits seit Anfang des neuen Jahrtausends kämpfen die beiden darum, offiziell ein Paar sein zu dürfen. Vor Verwaltungsgerichten, bislang vergebens. Die zugehörigen Akten füllen inzwischen mehrere Ordner, dazu kommt eine Menge Privatkorrespondenz von P. und D. aus all den Jahren.

Das Problem: Um eine eingetragene Lebenspartnerschaft überhaupt anmelden zu können, braucht D. ein Visum – sagt das Standesamt in Bremen-Nord. Um aber ein Visum zu bekommen, muss die so genannte „Homo-Ehe“ schon angemeldet sein, sagt andererseits die Ausländerbehörde. Ein Teufelskreis. „Das ist doch abenteuerlich“, sagt Anwalt Jörg Wegner, zugleich Landesvorsitzender des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften (IAF).

Alles fing damit an, dass D. – wie alle potenziellen Eheleute – nachweisen musste, dass er ledig ist, ehe er eine Lebenspartnerschaft anmelden darf. Eine Selbstverständlichkeit, irgendwie, aber nicht so leicht behördlich nachzuweisen, wenn man aus Ghana kommt. Also hat die deutsche Botschaft in Ghana einen „Vertrauensanwalt“ ausgesandt, um diese Frage klären zu lassen. „Die sind so viel wert, wie man ihnen Geld in die Hand drückt“, sagt Anwalt Wegner. In seinem Bericht jedenfalls kolportierte der Vertrauensmann, D. sei gemäß örtlichem Stammesrecht lange verheiratet, und zwar mit einer Frau. Ein Gerücht, wie sich später herausstellen sollte. Und doch zunächst ein Argument vor Gericht, das gegen Herrn D. verwendet wurde.

Das Auswärtigen Amt vertrat ohnehin die Auffassung, die Herren D. und P. verbinde lediglich eine „Schein-Partnerschaft“, also die homosexuelle Variante einer Scheinehe. Auch die Ausländerbehörde in Bremen hat später so argumentiert, und schließlich wurden in einem amtlichen Schreiben sogar „Zweifel an der homosexuellen Disposition des ausländischen Partners“ angemeldet.

Dabei ist das gar nicht relevant: Wer eine eingetragene Lebenspartnerschaft führen will, sagt Wegner, muss deswegen noch lange nicht schwul sein – schon gar nicht erwiesenermaßen. Für heterosexuelle Paare sei die „geschlechtliche Gemeinschaft“ auch „nicht zwingend“ Voraussetzung für eine Ehe, sagt er.

Gleichwohl wurden vor Gericht Briefe von D. und P. gewälzt, Telefonanrufe erforscht, private und auch intime Details eruiert, um Zweifel an der Art der Beziehung auszuräumen. Und an der sexuellen Identität der beiden.

Am Ende war selbst die Richterin am Oberverwaltungsgericht davon überzeugt, der Standesbeamte in Bremen-Nord ebenfalls, auch von einer Quasi-Scheinehe war nicht mehr die Rede, nicht einmal mehr von Seiten der Ausländerbehörde. Trotzdem wurde die Klage in zwei Instanzen abgewiesen – denn noch immer war die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht im Standesamt angemeldet. Dem stünde zwar prinzipiell jetzt nichts mehr im Wege, ließ die Behörde verlauten – allerdings nur, wenn Herr D. in einer eidesstattlichen Erklärung seine Ledigkeit bekunde. Und die könne er nur höchstpersönlich abgeben. In Bremen. Was wiederum voraussetzt, dass er ein Visum bekommt.

Das gibt es aber nur, wenn die Eheschließung bereits unmittelbar bevorsteht. „Das ist die Quadratur des Kreises“, sagt Wegner. Der ansonsten darauf beharrt, dass auch Standesbeamte einen großen Ermessensspielraum hätten. Also auch schriftlich bei einer Botschaft abgegebene Erklärungen anerkennen könnten. Deshalb klagt er nun gegen das Standesamt.

Wären die Beiden heterosexuell, wäre P. schon längst nach Ghana gereist, um D. zu ehelichen. Und eine eingetragene Lebenspartnerschaft kennt das ghanaische Recht nicht. Und nach Afrika überzusiedeln, kommt für P. nicht in Frage. Das sieht sein Rechtsanwalt genauso: Verfassungsrechtlich sei es „nicht haltbar“, dass ein Deutscher erst nach Ghana gehen müsse, um dort mit seinem Partner zusammen zu leben.

Aber P. will ohnedies in Bremen bleiben: Seine verwitwete Mutter ist ein Pflegefall, und P., ehemals bei Airbus tätig, ist seit 2003 „gesetzlicher Pfleger“ der 81-Jährigen. Hauptberuflich. Um nach Ghana zu gehen, müsste er sie in ein Heim „verfrachten“, sagt er. Also hat er D. seit Jahren nicht mehr gesehen. Doch irgendwann wird es soweit sein.