Tückische Füllung

Öko-Ausgleich für die Airbus-Fabrik in der Elbe fehlt nach sieben Jahren noch immer. Die geplante Aufwertung eines Naturschutzgebiets verwarf nun ein Gericht

VON GERNOT KNÖDLER

Ein Ausgleich für die Erweiterung des Hamburger Airbus-Werks ist in weite Ferne gerückt. Wie das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig entschieden hat, kann der Bau der Fabrik in der Elbbucht Mühlenberger Loch nicht durch die „Aufwertung“ der Natur in der Haseldorfer Marsch kompensiert werden. Bei der Marsch handele sich wie beim Mühlenberger Loch um ein europäisches Naturschutzgebiet. Dieses weiter aufzuwerten, sei nicht notwendig, urteilte das Gericht.

Die Umweltverbände Nabu und BUND äußerten sich erfreut: Sie hatten geklagt, weil sie nicht wollen, dass ein Ausgleich in bestehenden Schutzgebieten vorgenommen wird. Das, so ihre These, werde dazu führen, dass einzelne Schutzgebiete aufgerüstet würden, während die Schutzgebietsfläche insgesamt abnehme. „Das Urteil bestätigt die Auffassung, dass wertvolle EU-Schutzgebiete im Grunde nicht aufwertungsbedürftig und -fähig sind und damit nicht ohne weiteres als Kompensationsflächen für Eingriffe zur Verfügung stehen“, sagte der schleswig-holsteinische Nabu-Landesvorsitzende Hermann Schulz.

Eine schriftliche Begründung liegt noch nicht vor. Sollte das Urteil aber tatsächlich den Charakter einer Grundsatzentscheidung haben, sieht sich Hamburgs Wirtschaftsbehörde vor ein „grundsätzliches Problem“ gestellt. Es ergäbe sich die Frage, wie unter solchen Bedingungen überhaupt Ausgleichsflächen gefunden werden könnten, sagt Sprecherin Kerstin Feddersen. Zwei Jahre lang habe die Stadt nach geeigneten Gebieten an der Elbe gesucht. Wenn es am Ende gar keine Aufwertung gäbe und stattdessen Strafzahlungen, wäre der Natur nicht gedient.

Das Urteil könnte Folgen für eine weitere Ausgleichsfläche haben, die der Senat plant: die Borghorster Elbwiesen. Hier handelt es sich ebenfalls schon um ein Schutzgebiet nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der Europäischen Union. Ob es aufgewertet werden kann, ist eine Frage des Blickwinkels: Bevor die Elbwiesen als Ausgleichsgebiet ins Auge gefasst wurden, sollten sie im Rahmen eines so genannten EU-Life-Projektes aufgewertet werden – und das mit dem Segen der Umweltverbände. Das Projekt scheiterte dann aber am Widerstand der Anwohner.

Dass es jetzt als Ausgleichsvorhaben wieder aufgenommen werden soll, hält der Hamburger BUND-Landesgeschäftsführer für problematisch – nicht zuletzt, weil hier ohnehin fälliger Naturschutz mit dem Geld für Ausgleichsmaßnahmen bezahlt werde. Das sei nicht im Sinne des Erfinders. „Eine Kompensation“, sagt Braasch, „hat nichts in einem hochwertigen Naturschutzgebiet zu suchen.“

Vom schwarz-grünen Hamburger Senat erwarte der BUND, „dass ein juristisch und fachlich haltbarer Ausgleich für den Eingriff im Mühlenberger Loch schnellstmöglich umgesetzt wird“. Die nun von der ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten Anja Hajduk geführte Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt müsse „Ausgleichsdefizite schnellstmöglich beseitigen“, fordert der Umweltschützer. So ist es auch im Koalitionsvertrag niedergelegt.

Dem Streit über künftige Projekte sieht Braasch mäßig optimistisch entgegen. Das neue Verbandsklagerecht ermögliche es den Umweltorganisationen, direkt gegen Pläne zu klagen. Dann wäre es möglich, sich gegen Tricks zu wehren, wie sie bei dem Airbus-Werk angewendet wurden. Der Senat hatte die Planung des Ausgleichs von jenen für das Zuschütten des Mühlenberger Lochs getrennt. „Um dem EU-Recht zu genügen, muss beides so eng verzahnt sein, dass es ausgeschlossen ist, dass der Eingriff stattfindet“ sagt Rüdiger Nebelsieck, der Anwalt des BUND – „der Ausgleich aber nicht.“ Einen entsprechenden Hinweis habe Anfang 2007 das Bundesverwaltungsgericht gegeben (Az. 9 A 20.05).

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