„Und man darf rauchen!“

Andreas Döhler macht Off-Kino für Berlin – anfangs im Sputnik Wedding, später im Kreuzberger Eiszeit und im Central in Mitte. Seit kurzem gestaltet er das Filmprogramm im White Trash Fast Food

Der Kinomacher Andreas Döhler, Jahrgang 1963, kommt 1985 von Castrop-Rauxel nach Berlin. Nach Stationen im Weddinger Sputnik-Kino, einer „anderthalbjährigen Stippvisite“ bei der tageszeitung und Gelegenheitsauftritten als Schauspieler wird er 1988 Programmmacher des Kreuzberger Eiszeit-Kinos. Als nach der Wende die Kultur im Osten der Stadt boomt, wird im Frühjahr 1996 das Central-Kino in Mitte eröffnet, dazu kommt auch noch das Freiluftkino Kreuzberg. Er war Festivalleiter von BerlinBeta und b.film-Festival. Im März diesen Jahres gibt er die Leitung des Central ab und wird freier Filmveranstalter im White Trash Fast Food in der Schönhauser Allee. Dort organisierte er das Berlin Underground Filmfest, einen filmischen Streifzug durch Gegenkultur und Punkrock in elf Abenden. Ab Juli wird er den Ort unter dem Motto „Smoking Cinema“ mit einem regelmäßigen Programm bespielen. Eröffnet wird am 1. Juli mit „This Filthy World“, einem irrsinnig komischen Film von Jeff Garlin, der den Regisseur und Performer John Waters bei einer seiner Live-Shows gefilmt hat. Mehr unter: www.cinemarock.de.

INTERVIEW DIETMAR KAMMERER

taz: Herr Döhler, sind Sie Mitte der Achtziger nach Berlin gezogen mit dem festen Entschluss, in der Off-Kinoszene mitzumischen?

Andreas Döhler: Ganz und gar nicht. Der Einstieg 1985 in das Kino-Kollektiv des Sputnik Wedding war überhaupt der Anfang meiner Kinosozialisation. Das lief so wie immer in dieser Zeit: Man lernt jemand kennen, der hat ein Kino, sagt, komm doch mal vorbei, und schwupps war man in der ganzen Geschichte drin. Davor war ich ein normaler Kinogänger.

Und damit begannen Ihre Underground-Affinitäten?

Das Konzept des Sputnik baute darauf auf, Filmzusammenhänge zu dekonstruieren. Das war gar nicht einmal so Underground-lastig. Es ging mehr darum, unerwartete, abstruse Kombinationen zu finden. In einer langen Splatter-Filmnacht zeigte man dann eben nicht nur Klassiker wie „Texas Chainsaw Massacre“, sondern auch „Der lachende Mann“ von Heynowski und Scheumann. Das Sputnik war für mich damals eine sehr gute Schule, mit einem hoch ambitionierten Programm. Da habe ich viel gelernt für das, was ich später im Eiszeit oder im Central gemacht habe.

Als Sie im Frühjahr 1996 das Central-Kino starteten, wurde praktisch zeitgleich auch das Filmtheater Hackesche Höfe eröffnet. Die beiden Kinos in unmittelbarer Nachbarschaft stehen für die sehr unterschiedlichen Entwicklungen Berlins seit der Wende.

Das ist ja schon architektonisch sehr deutlich! Das war für uns, die wir vom Eiszeit-Kino kamen, damals eine Art Grundsatzprogramm: Gerade hier setzen wir unsere Arbeit fort. Wie die Gegend sich dann entwickelt hat, hat mich aber doch überrascht. Natürlich weiß man über die städtischen Entwicklungen theoretisch irgendwie Bescheid. Aber mir vorzustellen, irgendwann zwischen Tommy Hilfiger und Starbucks Kino zu machen, dazu reichte meine Fantasie doch nicht.

Kann es heute überhaupt noch eine alternative Filmkultur geben wie vor zehn, zwanzig Jahren?

Die Strukturen haben sich generell gewandelt. Unser Programm Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger hat davon profitiert, dass man noch Entdeckungen präsentieren konnte. Filme, die es sonst nirgends zu sehen gab.

Und im Zeitalter von Internet, Tauschbörsen und DVD ist das anders geworden.

Auf jeden Fall. Durch die DVD gibt es eine viel höhere Verfügbarkeit von Filmen, an die man früher nie herangekommen wäre. Das konnte man im Eiszeit sehr gut beobachten, dass etwa unsere „Splatting Image“-Filmnächte umso weniger gut besucht waren, je leichter bestimmte Filme in Fankreisen verfügbar wurden.

Ist das Kino noch ein Ort, um Kulturarbeit jenseits des Mainstream zu machen?

Schwierig. Allein aufgrund der ökonomischen Zwänge, die einem das Programm diktieren. Um sich ein Publikum heranzuziehen, muss man es kontinuierlich mit Veranstaltungen füttern, und das funktioniert selbst in Berlin nicht mehr. Was unter anderem auch an dem wahnsinnigen Kulturangebot liegt, das einem diese Stadt bietet.

Ich habe den vagen Eindruck, dass in den letzten zwei, drei Jahren eine ganze Reihe von Filmklubs gegründet wurden. Man geht in Bars, in Keller, in Räume jenseits des Kinos und zeigt ein Filmprogramm nach seinem Geschmack. Entkommt man so den Zwängen des regulären Kinobetriebs?

Ich denke nicht, dass es mehr Filmklubs sind. Die hat es schon immer gegeben. Aber man muss feststellen, dass die klassischen Programmkinos den Bereich des abseitigen Kinos nicht mehr bedienen können. Die Besucher sind inzwischen eine ältere, gehobene Klientel. Die wollen einen anspruchsvollen Abend verbringen. Mit dem Filmprogramm, das ich mir vorstelle, fühle ich mich dagegen im White Trash bestens aufgehoben. Am wichtigsten ist es, den passenden Ort zu finden für das, was man filmisch rüberbringen möchte. Und man kann sagen, was man will, aber das White Trash steht noch immer für eine ganze besondere Art der Abendunterhaltung! Bei uns kann man die Ansprüche gleich an der Garderobe abgeben und kriegt dafür den urwüchsigen Charme des Trash geboten. Und man darf im Kino rauchen!

Ist Trash seit dem „Grindhouse“-Projekt von Tarantino und Rodriguez im Mainstreamkino angekommen? Wo kann das Underground-Kino noch Tabus angreifen, wenn ein durchschnittlicher Horrorfilm heute alle Grenzen des Geschmacks hinter sich lässt?

Die Zeiten des Tabubruchs sind vorbei. Aber das macht es für mein Projekt gerade spannend, herauszufinden, wie die aktuellen Tendenzen im Underground-Bereich aussehen. In den letzten Jahren konnte ich mich darum nicht sonderlich kümmern, das fiel den Sachzwängen des Kinobetreibens zum Opfer. Und jetzt bin ich neugierig zu sehen, was man an Entwicklungen feststellen kann. Etwa kulturell und gesellschaftspolitisch.

Eine große Entwicklung sind Do-it-yourself-Filmemacher im Internet.

Das ist mit Sicherheit auch eine interessante Tendenz, die es zu beobachten gilt. Die „geschwedeten“ Kurzfilme im Sog von Michel Gondrys „Abgedreht“ sind ein schönes Beispiel. Da lässt sich vielleicht mal was machen in Form von Open Screenings.