berliner szenen gfKitsch und Goldstaub

In der Lindenblüte

Der typische Berliner Sommergeruch lag über dem Rosa-Luxemburg-Platz, die Linden blühen wieder recht aufdringlich zurzeit. Seltsam, dass so ein Geruch den Menschen so wehmütig stimmen kann, obwohl er, nüchtern olfaktorisch betrachtet, doch nur wie ein aufdringlich billiges Parfüm daherkommt.

Vor dem Eingang der Volksbühne standen ein paar vereinzelte Elektronikgrößen und Veranstalter herum und hielten nach etwas Ausschau, der gläserne Würfel neben dem Theater war noch ganz leer. In der Volksbühne sollte der Staubgold-Labelabend begangen werden. Im Glaskasten daneben würde es um „Vogueing“ gehen.

Sobald sich die Ersten in den leeren Kasten wagten, füllte sich der Raum stetig, es bildete sich sogar eine Menschentraube vor dem Eingang. Draußen sah man jetzt stadtbekannte Musikjournalisten in gewichtiger Mission vorbeigehen. Drinnen begann nach einer kurzen Einführung zum Thema „Vogueing“ – von den Dragkings in Harlem zu Madonnna – der Film „How do I look“ von Wolfgang Busch. Und so saß man im Glashaus, starrte auf die Leinwand, bestaunte die Kostüme, gewagten Armverschränkungen, Geschlechterkonstruktionen und opulenten Künstlernamen: Octavia St. Laurent Manolo Blahnik.

Als der Film dann doch etwas lang wurde, ging man raus, schaute draußen durchs Glas nach innen. Und da fiel einem erst mal auf, dass man an diesem fußballfreien Abend schon wieder bei einem Public Viewing war.

Zum Schluss liefen noch ein paar Videos, Madonna tanzte ein bisschen im Glaskasten, und passend dazu verströmten die Linden immer weiter ihren Kitschgeruch.

CHRISTIANE RÖSINGER