„Fritzchen ist laut – Fritzchen muss weg“

Bei Gewaltprävention hilft das Gießkannenprinzip wenig: Ein Interview mit der Kriminologin Petra Guder

PETRA GUDER, 48, ist selbstständige Diplom-Kriminologin und beschäftigt sich mit den Blueprints-Modellprojekten zur Gewaltprävention und dem Stand der Wirkungsforschung. Foto: PRIVAT

taz: Was bedeutet „Blueprints“?

Petra Guder: Rein sprachlich bedeuten Blueprints: Modellvorlagen gegen Gewalt. Wir untersuchen wie erfolgsversprechend Modellprogramme gegen Jugendgewalt sind. Zum Beispiel, wie lange die Programme ihre Wirksamkeit zeigen.

Was für Programme sind das?

Es geht dabei um Gewaltprävention von Gewalt und da gilt es, so früh wie möglich anzusetzen. Man hat ja nicht auf einmal mit vierzehn Jahren einen Gewalttäter. Der große Schrei kommt dann, wenn Jugendliche in der U-Bahn jemanden überfallen – dann meint man im Gießkanneneffekt die Schulen mit Anti-Gewalttrainings beglücken zu müssen. Wie wirksam diese sind, ist fragwürdig. Oft ist weniger mehr.

Das heißt?

Zielgerichtet intervenieren und nicht überintervenieren. Überintervention führt dazu, dass die Betroffenen nur noch mehr ausgegrenzt werden. Da schließt sich natürlich eine Kritik an, was die sogenannten Erziehungscamps anbelangt.

Wie sieht das ideale Modell für Sie aus?

Wenn es gelingt, eine umfassende Risiko- und Schutzanalyse zu machen. Programme, die das gesamte Umfeld des Betroffenen einschließen, anstatt Haft zu verhängen nach dem Motto „Fritzchen ist laut, Fritzchen muss weg“. Gute Programme müssen nicht automatisch teuer sein – man muss schauen was für den Menschen wirklich notwendig ist.INTERVIEW: RABEA WACHSMANN

„Endstation Bootcamp? – Was tun gegen Jugendgewalt? Diskussion um 19 Uhr, Galerie KunstNah, Große Bergstr. 152, 19 Uhr. Eintritt frei