Krude Israelthesen an Göttinger Eliteuni

Israelische Opfer des Olympia-Attentats von 1972 wollten sterben, so ein Politik-Professor. Uni zögert mit Rauswurf

GÖTTINGEN taz ■ Ein Wissenschaftler der Universität Göttingen hat mit einem Vortrag heftige Kritik auf sich gezogen. Der geschäftsführende Direktor des Instituts für Sportwissenschaften, Arnd Krüger, hatte auf einer Tagung behauptet, die elf israelischen Sportler, die beim Olympia-Attentat 1972 in München starben, seien freiwillig in den Tod gegangen. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, nannte das „Antisemitismus pur“.

Mit dem Vortrag im Juni in Göttingen wollte der Professor die Frage aufwerfen, wie man die Zeitgeschichte des Sports vermitteln könne, ohne sich in den „Fallstricken des Antisemitismus zu verhaspeln“ – so ein Teil des Titels. Genau das war ihm allerdings mit seiner Argumentation gründlich misslungen. Krügers These: Die israelischen Sportler hätten sich 1972 freiwillig gemeldet und gewusst, dass die Palästinenser ein Attentat verüben würden. Es habe sich um eine politische Entscheidung gehandelt, dass die Sportler zum Zeitpunkt des Anschlags überhaupt anwesend waren. Herrscher in der israelischen Geschichte hätten schon früher den Tod von Israelis in Kauf genommen, um Kriege zu rechtfertigen, so Krüger. Diese Meinung hatte der Wissenschaftler schon in dem Göttinger Hochschulsportmagazin Seitenwechsel zu Semesterbeginn vertreten – offensichtlich unbemerkt von Universitätsleitung und Kollegen. Erst als Krüger seine Argumentation auf der Tagung wiederholte, regten sich Proteste.

Der stellvertretende israelische Botschafter Ilan Mor kritisierte nun die Äußerungen Krügers scharf. „Das ist eine der schlimmsten Formen der Dehumanisierung des Staates Israel“, sagte der Diplomat. Man sehe hier eine Form des neu aufflackernden Antisemitismus in Deutschland, „verpackt als Israelkritik“. Auch der Vizepräsident des Zentralrats, Graumann, bezeichnete die Argumentation Krügers als „Volksverhetzung“. Er forderte Konsequenzen von der Leitung der Universität Göttingen. Deren Beschwichtigungsversuche seien „mindestens ebenso skandalös wie Krügers Aussagen selbst“, zeigte sich Graumann empört. Das überschreite die Grenzen der Meinungsfreiheit.

Die Göttinger Uni hatte zuvor eine Erklärung veröffentlicht. Darin schreibt Universitätspräsident Kurt von Figura: „Die Universität ist stolz auf ihre langjährige, fruchtbare Zusammenarbeit mit israelischen Forschern und Universitäten.“ Das Präsidium werde „klare Zeichen gegen Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus setzen“.

Klare Zeichen sollen zunächst durch die Einsetzung einer Ombudskommission geschaffen werden. Sie soll prüfen, ob durch Krügers Thesen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis verletzt worden seien. Je nach Ergebnis werde die Universität einen angemessenen Weg einschlagen, sagte Universitäts-Pressesprecherin Marietta Fuhrmann-Koch. Dabei würden eventuell auch strafrechtliche und arbeitsrechtliche Schritte in Betracht gezogen.

Sportwissenschaftler Arnd Krüger sind nun die Ausmaße seiner Thesen wohl doch bewusst geworden. Er habe versucht, ein kulturhistorisches Phänomen zu erklären, und „nie beabsichtigt, irgendjemanden zu diskreditieren“, sagte Krüger. Keinesfalls habe er persönliche Gefühle verletzen wollen.

BENJAMIN LAUFER