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EU: Bürokratieabbau war gesternKOMMENTAR VON DANIELA WEINGÄRTNER

Europas Sterne sind ziemlich verblasst. Deshalb hatte Kommissionschef Manuel Barroso dem als Moloch empfundenen Bürokraten-Brüssel ein Lifting verordnet. Künftig sollte es keine Gesetzesvorschläge mehr geben, ohne dass es zuvor eingehende Konsultationen, Reflexionen und Kostenschätzungen gegeben hat. Die Beamten wurden angehalten, weniger Papier zu produzieren und den Gesetzesdschungel nach Überflüssigem zu durchforsten.

Eine Sondereingreiftruppe aus Bayern mit Exministerpräsident Edmund Stoiber an der Spitze sollte Industriekommissar Günter Verheugen in seinen Bemühungen unterstützen und ihm gegenüber der nicht immer kooperationsbereiten Beamtenschaft den Rücken stärken. Genützt hat es wenig, denn Papier ist geduldig, und Beamte sind beharrlich. Vor allem aber hat Barroso inzwischen erkannt, dass sich mit Bürokratieabbau keine politischen Lorbeeren verdienen lassen. Die Kleinarbeit am Kleingedruckten trägt ihre Früchte erst Jahre später, wenn längst ein anderer die EU-Kommission führt. Deshalb versucht er es jetzt mit einem neuen Imageprogramm. Er hat die Druckerpresse wieder angeworfen und lässt Gesetzentwürfe produzieren, die Europa sozialer machen sollen.

Ob Gesundheitswesen, betriebliche Mitbestimmung oder Gleichstellung von Behinderten, religiösen und sexuellen Minderheiten und älteren Menschen – in einer wilden Mischung aus Gesetzesvorschlägen, Empfehlungen und Überlegungen macht Brüssel die Zurückhaltung der letzten Monate mehr als wett. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob die Vorschläge eine Chance auf Umsetzung haben und was diese kosten würde. Zumindest die Mehrheit der EU-Parlamentarier, die soziale Akzente in der Brüsseler Politik vermissen, wird zufrieden sein.

Doch die soziale Schieflage in einer Union, deren Marktwirtschaft läuft wie geschmiert, deren Sozialsysteme aber nach wie vor miteinander unvereinbar sind, wird sich nicht durch ein sozialpolitisches Flickwerk beseitigen lassen. Zunächst einmal müssten EU-weit einheitliche soziale Mindeststandards geschaffen werden. Dazu aber ist die Mehrheit der EU-Bürger derzeit nicht bereit. Ein paar hundert Seiten neuer Gesetzentwürfe ändern daran nichts.

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