Eine bessere Demokratie finden

betr.: „Demokratieverachtung wird salonfähig“, Kommentar von Matthias Lohre, taz vom 30. 6. 08

Matthias Lohre setzt einfach die uns bekannten politischen Strukturen mit der Demokratie schlechthin gleich und vergisst dabei die Frage, weshalb denn Demokratie so wertvoll ist.

Demokratie wäre ein Wert nur dann, wenn sie Menschenrechte garantieren könnte. Aber das tut, kann oder will sie nicht mehr, siehe Guantánamo, siehe geheime CIA-Foltergefängnisse, siehe Frank-Walter Steinmeier. Und dass Demokratie und Wohlstand nicht notwendigerweise zusammengehören, ist schlicht falsch. Nur durch den wachsenden Wohlstand in Europa, der mit viel Brutalität in den Kolonien erkauft war, kam es in den vergangenen 400 Jahren zur Ausbreitung demokratischer Strukturen. Soziale Teilhaberechte waren immer unmittelbar an Wohlstand und Wachstumsraten gebunden. Und liberale Bürgerrechte wie etwa die Meinungsfreiheit benötigt man nicht, wenn man hungert. Was hat der Hartz-IV-Empfänger davon, dass er für einen höheren Regelsatz demonstrieren darf? Wenn es zu viele werden (so dass vielleicht eine Hungerrevolte daraus werden könnte), werden sie nicht mehr lange dürfen. Dafür wird dann ein demokratisch verabschiedetes Versammlungsgesetz (siehe Bayern) sorgen.

Dass Globalisierung und Turbokapitalismus auch den Sozialstaat und die Demokratie gleich mit beseitigen, ist doch nun oft genug analysiert worden. Die der Demokratie zugeschriebenen Werte waren immer nur ein Spin-off-Effekt von Wachstum und Wohlstand. Und das geht nun (leider) alles zu Ende. Immer mehr Menschen geht es heute wie den Bremer Stadtmusikanten, sie sagen sich: Eine bessere Demokratie als diese verlogene, korrupte, unglaubwürdige, plutokratische, Parteien- und Lobbyismus-Demokratie, diese Bush-Blair-Berlusconi-Demokratie, die nicht mehr ist als eine staatliche PR-Agentur am Gängelband der Wirtschaft, finden wir allemal. Es gibt gute Gründe, diese Demokratie zu verachten und sich eine andere zu wünschen, auch wenn wir keine Blaupause dafür in der Schublade haben. Wenn der Legitimitätsglaube (Max Weber) an diese unglaubwürdige Demokratie schwindet, wächst die neue, noch unbekannte Demokratie, wächst das Rettende eben auch. Optimismus ist angesagt. BERNHARD SCHINDLBECK, München