Provinz im Abseits

Immer mehr große Klubs aus den Männerligen entdecken den Frauenfußball und verfolgen ambitionierte Ziele

BERLIN taz ■ Schon mal etwas vom HSV Borussia Friedenstal gehört? Im Juni den Aufstieg des FSV Viktoria Jägersburg bejubelt? Nein? Dabei kicken und grätschen deren Spielerinnen in den oberen Ligen. Dank der mehrere Jahrzehnte währenden Melange aus abfälligem Belächeln und schlichter Ignoranz haben sich in der Frauenbundesliga Vereine nach oben gespielt, die im Männerfußball in den Verbandsligen der Republik vor sich hin dümpeln – wenn überhaupt.

Und doch: Die Auftritte von Frauenmannschaften aus kleinen Gemeinden von Sand im Süden bis Oldesloe im Norden könnten bald der Vergangenheit angehören. Die etablierten Vereine der Männerbundesligen drängen in die Frauenszene – zum einen auf Druck von DFB-Präsident Theo Zwanziger, zum anderen buhlen die Klubs um weibliche Fans. Fußball – statt Männersport ein Familienevent? „Frauen sind ein enormes Potential für große Vereine, daher ist deren Bindung besonders wichtig“, erklärt Georg Pointke, Vorsitzender des 1. FFC Recklinghausen. Seit 2007 hat sein Viertligist eine Kooperation mit dem FC Schalke 04. Für sein Ziel, „die erste Liga“, will der kleine Partner den großen Namen als Türöffner bei Sponsoren nutzen. Ähnlich ist die Situation in Harpen: Orientiert am Schalker Modell arbeitet man dort mit dem VfL Bochum zusammen. Konkret heißt das: Kunstrasenplatz statt Asche und ein prominenter Name als Partner.

Einen solchen bietet auch Bayer Leverkusen. Beim Werksclub war es der TuS Köln rrh., der daran glauben musste – oder „durfte“, wie deren langjähriger Manager Maruan Azrak betont. Statt einer Kooperation wurde die Frauenabteilung des TuS aufgelöst und Bayer 04 einverleibt – wodurch in Leverkusen fast über Nacht ein Zweitligist entstand. Mit den Spielerinnen wechselte auch Azrak: Der Wahlkölner ist nun Manager im Bereich Frauenfußball bei Bayer. Azrak glaubt, dass die Spielerinnen von den besseren Rahmenbedingungen profitieren. Die Trainerarbeit sei auf einem höheren Level möglich: Trainerin Doreen Meier kennt Männercoach Bruno Labbadia von der Trainerschule, was den Austausch verbessere.

Auch beim 1. FC Köln steht nach Jahren der Ablehnung dem Einstieg in den Frauenfußball kaum noch etwas im Wege: Der FC steckt in Verhandlungen mit dem FFC Brauweiler. Diese Gespräche, so die Vorsitzende Monika Beckmann gegenüber der taz, verlaufen „sehr positiv“. Während viele Vereine Infrastruktur und die Zusammenarbeit mit Medizinern als Vorteile nennen, sieht Beckmann einen anderen Pluspunkt: „So wäre die Insolvenz verhindert.“ Die Vergangenheit habe gezeigt, dass ein eigenständiger Frauenverein nur selten funktioniere. Sponsoren könnten durch große Vereine leichter gewonnen, DFB-Auflagen besser erfüllt und vorhandene Ressourcen sinnvoll genutzt werden.

Dass es auch anders – ohne friedliche Einstiege oder feindliche Übernahmen – geht, zeigen unter anderem Werder Bremen und Bayern München, die eigene Mannschaften aufgebaut haben. Wo die Bayern bereits sind – im oberen Drittel der Frauenbundesliga –, möchten die Bremer noch hin. Erst in der vergangenen Saison hat ihre Mannschaft den Spielbetrieb aufgenommen und durfte gleich in der Verbandsliga starten. Der übliche Weg über Kreis- und Bezirksligen wurde übersprungen, um Wechsel talentierter Spielerinnen nach Niedersachen zu verhindern. In spätestens vier Jahren wollen die Frauen an der Weser in Liga zwei spielen.

Noch sind es die reinen Frauenfußballclubs, die die Meisterschaft bestimmen – auch weil sie den neuen Verfolgern im Jugend- und infrastrukturellen Bereich um Jahre voraus sind. So geht der 1. FFC Frankfurt mit dem Engagement eines hauptamtlichen Trainers einen weiteren Schritt zum weiblichen Profifußball. Doch die Konkurrenz rückt näher: „Mit steigenden Etats der Konkurrenz wird es auch für sie schwierig“, so der Recklinghausenener Pointke.

Zwanzigers Ziel, ein hoch professionalisierter Fußball, könnte bald schon erreicht sein. Davon, dass die bisherigen Spitzenteams diesen Weg mitgehen können, sind Experten überzeugt. Doch kleinere Vereine, die mangelndes finanzielles Vermögen bislang mit ehrenamtlichen Engagement wettmachen konnten, werden an ihre Grenzen stoßen.

SIMON WALTER