: Kreuzberg-Sinatra
Wie Carla Bruni hat Max Müller gerade sein drittes Album veröffentlicht: Der Sänger der Band Mutter bleibt auch bei diesem Soloausflug solitär und einzigartig kurios
Keine Ahnung, wie Max Müller das macht: Die Kollegen in seiner Band Mutter werden von Jahr zu Jahr dicker, kahler, einfach älter, Max wirkt ständig noch dürrer und sein Haar noch voller. Wie ein Kind sieht er neben den gestandenen Männern aus, die auf Konzerten dann auch lieber nur gemütlich dastehen, während er sich in eigentümlichen Max-Müller-Posen verausgabt, am Mikro krümmt und auf dem Boden wälzt. Bei der Präsentation seiner neuen CD „Die Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie einmal war“ im Foyer der Volksbühne bewegte er sich dagegen nur wenig. Die meiste Zeit saß er auf einem Barhocker neben einem Treppengeländer, und nur gegen Ende ging er ein wenig mit dem Mikro in der Hand umher. Max Müller solo ist schließlich etwas völlig anderes als Mutter: kein walzender Berserkerrock, sondern der Vortrag kaputter Poesie, Eigentümlichkeiten aus einem schon fast autistisch wirkenden Privatuniversum, die wie echte Außenseiterkunst wirken.
Max Müller solo, das bedeutete all die Jahre hinweg kein Verfolgen einer echten Karriere, sondern war immer eine Nebenbeisache. Gerade mal zwei Platten wurden von ihm in den letzten zwölf Jahren veröffentlicht, bis jetzt eben die dritte erschienen ist. Als mit Abstand eingängigstes Werk wurde der dritte Wurf in ersten Kritiken beschrieben, als richtiggehend poppig, mit echten Songs und ohne die ganz groben Spinnereien wie mit dem Anrufbeantworter aufgenommene Songs.
Die neuen Nummern von Max Müller sind ganz offensichtlich nicht mehr nur Skizzen, aufgenommen nebenbei, um sich vom Tourstress mit Mutter zu erholen. LoFi klingt diese Musik immer noch, aber eben nicht mehr ganz so deprimierend kaputt. Verschiedene Gastmusiker haben gar den Klang einer Querflöte und einer Orgel beigesteuert, und das Saxofonsolo in „Frauenkrieg“ klingt verdammt schmierig.
Trotzdem bleibt Max Müller solitär und einzigartig kurios. „Für eine bessere Welt, in der die Frauen die Kriege alleine führen“, singt er und, wie immer, weiß man nicht so genau, ob das spaßig, ironisch oder todernst gemeint ist. Ständig haut er solche Textbrocken heraus, die man als Slogans an die Wand sprühen könnte, die sich endlos diskutieren lassen und die Deutungen nach allen Seiten offenlassen. Es ist auch immer dieses Wechselbad aus gequälter Romantik, Sehnsucht und Traurigkeit, die einen hier so verstört.
Max-Müller-Musik und Max-Müller-Texte sind stets manisch, nie ausgewogen, immer total intensiv. „Endlich tot“ nannte sich dann auch seine zweite Platte, und auf der neuen Platte haben Songs wieder Titel wie „Die Welt hasst euch“ oder „Zwei einsame Schizoide“.
Der Trick lautet, den Provokations- und Radikalitätsgestus auf einer anderen Ebene neu zu verhandeln. Nicht als Schreie kommen diese Anklagen herüber, sondern als Seufzer und Klagegesänge, ohne treibendes Schlagzeug. Dabei wäre nichts falscher, als Max Müller als paranoiden Depressiva-Schlucker einzuschätzen. Er ist Popmusiker, nebenbei Zeichner und Gelegenheitsschriftsteller, und in all diesen Funktionen macht er in seiner Kunst das, was immer mehr aus der Mode kommt: Er kritisiert, polemisiert und grenzt sich permanent ab, aber das eben mit Punktouch.
Max Müller selbst ist eigentlich gut drauf, nur halt die Welt nicht immer, das gibt er auch seinem Publikum in der Volksbühne zu verstehen. Das unterhält er bestens, auch wenn er nichts anderes macht, als im Halbplayback zu seinen Songs von der CD zu singen. Irgendwann streikt der CD-Player, der Laser hüpft und produziert hässliche Knacksgeräusche. Max macht Witze und wirkt nun auf seinem Barhocker noch mehr wie ein Kreuzberg-Sinatra. Aber er ignoriert die Störgeräusche nicht einfach, sondern bricht als ein echter Perfektionist schlussendlich das Konzert lieber ab, als sich mit Unwägbarkeiten herumzuschlagen. Mülleimersound, das will er uns damit sagen, muss gefälligst gut klingen, sonst macht er keinen Sinn. ANDREAS HARTMANN
Max Müller: „Die Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie früher einmal war“ [Angelika Köhlermann]
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