Der Titel-Schleuser

Der Geschäftsführer einer Beratungsgesellschaft wurde in Hildesheim zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er promotionswillige Kandidaten für Geld an einen Professor in Hannover vermittelt hatte

Die Höhe der Zahlungen war abhängig von der Examensnote

VON RABEA WACHSMANN

Es war ein Fall wie geschaffen für die Medien: Im April dieses Jahres stand ein Jura-Professor von der Universität Hannover vor Gericht, weil er StudentInnen Doktortitel und Uni-Posten für Geld und Sex verschafft haben soll. Mittlerweile ist der Professor kein Professor mehr und rechtskräftig verurteilt wegen Bestechung. Am Montag nun urteilten die Richter des Landgerichts Hildesheim über die Machenschaften des 52-jährigen Geschäftsführers einer Beratungsfirma, der dem ehemaligen Professor promotionswillige AkademikerInnen vermittelt hatte. Die Richter verurteilten den 52-Jährigen wegen Bestechung in 61 Fällen zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren und zu einer Geldstrafe in Höhe von 75.000 Euro. Der Verurteilte, selbst Doktor der Philosophie, war überrascht von der Illegalität seines Handels: Er will nichts davon gewusst haben, dass die Honorarzahlungen strafbar waren. Sein Verteidiger kündigte an, in Revision gehen zu wollen.

Der Titelhandel zwischen Vermittler und Jura-Professor lief folgendermaßen ab: Die promotionswilligen Kandidaten zahlten dem Chef der „Beratungsfirma“ aus Bergisch-Gladbach satte fünfstellige Beträge für eine Vermittlung an den Professor der Universität Hannover. Der Vermittler überwies der Frau des Professors pro Promotionskandidat 4.100 Euro – 2.050 für die Übernahme und dann nochmal 2.050 bei Abschluss der Promotion. „Die sonst für Jura Doktoranden entscheidende gute Examensnote spielte keine Rolle mehr“, sagt Pressesprecher Jan-Michael Seidel vom Landgericht Hildesheim. Die Höhe der Zahlungen der Doktoranden an den Vermittler sei dabei sehr unterschiedlich gewesen, sie hingen von der Examensnote ab, die Titelanwärter mitbrachten. Ein Kandidat habe den Höchstbetrag von 24.000 Euro gezahlt, für Anbahnung, Titelvereinbarung der Arbeit und den Titel selbst.

Promotionsberater, Doktoranden und bestechliche Doktorväter – laut dem Münchner Wirtschaftsprofessor Manuel René Theisen ist das ein „Trio infernale“ und kein Einzelfall: „Bei rund 30.000 Promotionen pro Jahr in Deutschland kann man von zwei bis drei Prozent ausgehen, wo es bei weitem nicht mit rechten Dingen zugeht.“ Theisen legt seiner Berechnung die Zahlen von zehn führenden Anbietern auf dem Markt der Wissenschafts-Beratungsgesellschaften zugrunde. „Da werden Anzeigen in Hochglanzmagazinen im großen Stil geschaltet, irgendwie müssen die ihre Kosten ja wieder decken.“ Theisen sagt, er schreibe seit 25 Jahren Artikel zu dem Thema, Artikel, die er auch regelmäßig der Staatsanwaltschaft schicke. Er begrüßt, dass nun erstmals eine schon lange bekannte Form der Korruption im Wissenschaftsbetrieb geahndet worden sei. Begrüßt hat das Urteil übrigens auch der Deutsche Hochschulverband in Bonn.

Die Universität Hannover hat im Fachbereich Jura den unlauteren Praktiken einen Riegel vorgeschoben. Der Weg zur Promotion dürfe nun generell nicht mehr über Promotionsvermittler erfolgen, so Stefanie Beier von der Pressestelle. „Damit sind wir in Deutschland aber einzigartig.“

Seitens der Doktortitel-Aspiranten ist der Wunsch nach Vermittlung in der Regel mit handfesten monetären Interessen verbunden. „Ein Doktortitel muss sich schon für die Kandidaten rechnen“, sagt Theisen. Unter den Kunden des verurteilten Vermittlers seien größtenteils Juristen, Wirtschaftswissenschaftler und Mediziner. Dass nun der gesamte Berufsstand der Promotionsberater unter Verdacht steht, wundert Theisen nicht: „Da tummelt sich doch alles, vom hochqualifizierten Doktor bis zum Zuhälter und Zigarettenschmuggler ist alles dabei.“