„Ohne Arbeit wäre es einfacher“

Ich bin 31 und seit fünf Jahren Wachmann an einem Theater in Ostdeutschland. Meinen Job haben früher städtische Angestellte gemacht. Aber das war der Stadt zu teuer. Also wurde eine private Sicherheitsfirma beauftragt. Das Theater verlangt, dass die Firma uns nach Tarif bezahlt. Aber was heißt das schon?

Ich bekomme 4,53 Euro brutto die Stunde. Für Nachtarbeit gibt es 10 Prozent Zuschlag, sonntags 35 Prozent. Im Monat verdiene ich so knapp 1.200 Euro brutto, netto bleiben aber nur 800 Euro. Dabei komme ich auf 215 Arbeitsstunden im Monat.

Wie man davon eine Familie ernährt? Das geht nicht. Wir werden so schlecht bezahlt, dass der Staat mithelfen muss.

Arm trotz Arbeit – bei mir stimmt das. Ich bin arm. Wir können uns nichts leisten. Das Risiko, sich zu verschulden, ist immer da. Mal im Urlaub nach Teneriffa fliegen? Geht nicht, erst recht nicht bei den Lebensmittelpreisen. Wir kaufen nur bei Aldi, Lidl oder Kaufland und wohnen in einer günstigen Dreiraumwohnung. Den Computer sparen wir uns, den Kabelanschluss habe ich abgeschafft, Handy geht nur mit Prepaid-Karte. Wenigstens den Kindergarten wollen wir uns leisten.

Natürlich hat der Große inzwischen viele Wünsche. Zum Beispiel hätte er gerne so einen Kindercomputer, das hat er bei Freunden gesehen. Aber bei uns reicht es nur für Kleinigkeiten. Dieses Jahr haben wir ihm zum Geburtstag ein Spielzeugauto geschenkt – für 5,99 Euro.

Als meine Frau noch gearbeitet hat, standen wir besser da. Sie hat Textilfachreinigerin gelernt, so wie ich, und sogar besser verdient. Aber jetzt muss sie sich um unseren Kleinsten kümmern.

Ich denke, mein Chef würde uns schon lieber besser bezahlen. Aber er kann nicht, denn dann würde eine andere Firma den Auftrag bekommen. Das Theater selbst würde sicher besser bezahlen, ist aber der Stadtverwaltung untergeordnet. Die denkt nur an ihre leeren Kassen.

Leute für meinen Job zu finden, ist trotz der Bezahlung einfach. Die Firma schreibt ans Arbeitsamt. Dann werden ihr Bewerber geschickt, die erst mal zur Probe arbeiten. Und die Arbeitslosen haben keine Wahl. Die müssen den Job nehmen, weil ihnen sonst auch noch Hartz IV gekürzt würde. Ich selbst musste aus gesundheitlichen Gründen meinen eigentlichen Beruf aufgeben. Natürlich habe ich schon öfter überlegt, mir einen anderen Job zu suchen. Aber meine Frau hält mich zurück. Sie befürchtet, dass der nächste Chef in der Probezeit sagt: Wiedersehen!

Uns lachen sogar die Hartz-IV-Empfänger aus. Ein älterer Kollege hat mal durchgerechnet: Ohne arbeiten zu gehen, hat der am Ende genauso viel wie mit seinem Job. Danach ist er ausgestiegen. Bestimmt wäre das für meine Familie auch einfacher, wenn wir nicht mehr arbeiten würden. Das kann doch nicht sein. Denn ich will ja nicht zu Hause hocken, sondern arbeiten gehen – aber nicht zum Nulltarif.

PROTOKOLL: ASTRID GEISLER