Flaggen, Hymnen, Camperbauch

„Planet Porno präsentiert: Der braune Rucksack“: Mit diesem Format einer Talkshowparodie verabschiedet sich der Theaterdiscounter in den Sophiensælen

Es bleibt das ewige Leid, welches beklagt wird, das ewige Lied, welches gesungen wird. Alles, was sich um das Deutschsein rankt. Kürzlich wurde in den Berliner Sophiensælen das Theaterstück mit dem verführerisch tückischen Titel „Planet Porno präsentiert: Der braune Rucksack“ aufgeführt, eine eigenwillige Interpretation von Reinhold Beckmanns Polittalkshow.

Eingeladen waren prominente Gäste, die – wie man es aus dem Fernsehen kennt – des Redens nicht müde wurden. Sie sollten klären, was das Deutschsein überhaupt ausmacht. Gibt es typische deutsche Eigenschaften und was sind die hochbeschworenen Tugenden oder, etwas zugespitzt ausgedrückt, „Sekundärtugenden“? Der Rucksack der Deutschen ist voll beladen mit Lasten. Schuld und Zweifel. Keine Leichtigkeit. Melancholie und Schwermut. Oder wie Alice Schwarzer proklamiert: „Wir haben diese Seele, Schwarzbrot und so.“ Eine gesunde Portion Argwohn, Misstrauen und Skepsis gegenüber dem eigenen Vaterland. Auf der anderen Seite des Atlantiks wird schließlich ein Nationalstolz par excellence vorgeführt, den man so nicht vertreten kann. Immer dieses „Flagge, Flagge, Hymne, Hymne“ ist nach Florian Langenscheidt, Autor des Buches „Das Beste an Deutschland“, krankhaft. Trotzdem aber oder gerade deswegen findet Til Schweiger den Rucksack gut. An diesem Abend in den Sophiensælen werden die Vorurteile und Klischees bis an ihre Grenzen ausgereizt.

Es ist eine doppelte Komödie, in der sowohl die Polittalkshow als solche als auch das Thema des Abends durch den Kakao gezogen werden. Schwarzer wurde gespielt von einem Mann in Shorts und Baskenmütze mit brummiger Stimme, Gysi von dem jungen Fräulein in roten Strumpfhosen und Mini-Schottenrock mit ernster Miene und Blick. Und der Moderator Beckmann ist eine sexy Dame in Hosenanzug, der sich gegen Ende seiner Rolle gar nicht mehr sicher ist und bei Schwarzer für den Vorsitz der Talkrunde bedankt.

Auch die musikalischen Einlagen an dem Abend sind bewusste Täuschungen. Ein Lied wurde vorgetragen im Stil von Xavier Nadoo. Der Sänger, in Adidas-Hosen und weißem Unterhemd, ist ganz der deutsche Camper. Sein Bäuchlein, welches er stolz zur Schau stellte, und sein schwarzer Schnauzer machten ihn wahrhaftig zum Prinz Porno des Abends. „Wir müssen geduldig sein, dann dauert es nicht mehr lang“, war der Refrain. Dass dem Zuschauer an diesem Abend keine Antworten gegeben werden sollten, ist klar. Erst diese vagen Phrasen, zusammenhanglos in den Raum gerufen, konnten die Lächerlichkeit und das Absurde unterstreichen.

Ausverkauft war der Abend bis auf den letzten Platz. Für den Theaterdiscounter wird es ein Trost gewesen sein. Denn ihre einstige Spielstätte in der Monbijoustraße mussten sie Anfang des Jahres aufgeben. Im Juli treten sie deshalb noch zweimal mit ihren eigenwilligen Formaten in den Sophiensälen auf, bevor sie sich dann verabschieden.

Am Abend der Aufführung mussten einige Zuschauer auf den Boden ausweichen. Bereits zur Hälfte des Stücks, bei insgesamt 80 Minuten, wurde es im Saal stickig und schwitzig. Die Luft, die im Raum stand, wurde zum Sinnbild für die Debatte auf der Bühne. Die Luft war raus. Ein letztes Lied wurde gesungen, ein Dankeschönlied. Vielleicht an den Zuschauer, der an jenem Abend geduldig verharrte, um im sinnlosen Wortspiel, im Durcheinander der Wortwechsel, im Aneinandervorbeireden doch noch einen Sinn finden wollte.

MARYAM SCHUMACHER

Theaterdiscounter in den Sophiensælen: 17.–19. Juli, 21 Uhr „Jeder & Solche“ 24.–26. Juli, 21 Uhr „Spielplan Deutschland“. Am 3. und 4. Oktober wird auch „Der braune Rucksack“ noch einmal ins Programm genommen