Vergewaltigerdatei light

Nachdem Sachsen schon einmal mit der Forderung nach einer bundesweiten Datei von Sexualstraftätern scheiterte, startet die CDU-Landesregierung nun den zweiten Versuch

DRESDEN taz ■ Mehrere Wochen lang wurde die 13-jährige Stephanie in Dresden gefangen gehalten und missbraucht. Im Alter von neun Jahren ermordete ein 43-jähriger Mann den kleinen Mitja in Leipzig. Als Folge dieser Fälle aus den Jahren 2006 und 2007 will das sächsische Justizministerium nun besonders rückfallgefährdete Sexualstraftäter mit einem Informationssystem überwachen. Zugleich fordert die Landesregierung eine bundesweite Vernetzung insbesondere in Form einer Sexualstraftäterdatei.

Im Fall Stephanie beispielsweise richtete sich die öffentliche Kritik auch an die Behörden, weil sie den vorbestraften Täter aus den Augen verloren hatten und nicht einmal seinen aktuellen Wohnsitz kannten. Üblicherweise stehen solche Personen nach Verbüßung ihrer Haftstrafe oder dem Ende des Maßregelvollzugs unter Bewährung oder einer durchschnittlich vierjährigen Führungsaufsicht. Im künftigen sächsischen Überwachungssystem Isis wird eine Fallkonferenz nun beurteilen, ob eine besondere Rückfallgefahr von ihnen ausgeht. Staatsanwaltschaft, Landeskriminalamt, Justizvollzug, Jugendämter und Bewährungshelfer sollen zusammenarbeiten. Stellt Isis eine besondere Rückfallgefahr fest, dann sollen Polizisten des örtlichen Reviers sich um die Vorbestraften kümmern. Das heißt: Sie sollen des Öfteren bei ihnen vorbeischauen, mit ihnen sprechen und sich nach ihrer Lebenssituation erkundigen. Ob die Polizisten diese Dauerbeobachtung neben ihrem normalen Dienst leisten können, bleibt dabei offen.

„Das ist auch eine Chance für den möglichen Rückfalltäter“, sagte Justizminister Geert Mackenroth (CDU). „Wir folgen hier keinem Jagdinstinkt!“ Das gelte speziell für eine bundesweite Sexualstraftäterdatei, für die sich Sachsen besonders einsetzen will. Reisen oder Umzüge in andere Bundesländer dürften den Kontakt nicht abreißen lassen.

Im März 2007 war ein solcher Vorschlag allerdings schon einmal auf vernichtende Kritik gestoßen. Nach amerikanischem Vorbild hatte Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) eine Art Prangerdatei angeregt, die nach eher lockeren Kriterien angelegt und für jedermann im Internet zugänglich gewesen wäre. Von einem „Verfall der Rechtskultur“ sprach damals der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Sein sächsischer Kollege Andreas Schurig interveniert diesmal nicht. Sowohl der Kreis der Erfassten, nach ersten Schätzungen zwischen 100 und 200 in Sachsen, als auch der Zugangsberechtigten sei stark eingeschränkt. „Ein Täter muss damit rechnen, dass seine Daten verarbeitet werden“, so Schurig, der in die Vorbereitungen zu Isis einbezogen war. Ähnliche Länderdateien gibt es bereits in Bayern, Niedersachsen, Hessen, Brandenburg und Berlin. Sachsen-Anhalt hat mit einem Runderlass die Führungsaufsicht verbessert und einen Dateiabgleich vorgenommen. Am bayerischen System Heads, seit Januar 2006 genutzt, habe es keine grundsätzliche Kritik gegeben, sagt ein Sprecher des Justizministeriums. Baden-Württembergs Justizministerium stimmt sich gerade mit anderen Ressorts ab. Eine „Prangerdatei“ aber würde abgelehnt, sagt Sprecher Stefan Wirz. Thüringen prüft ebenfalls, eine Datei anzulegen.

Sonderlich weit sind auch die Versuche einer bundesweiten Vernetzung noch nicht gediehen. Konkrete Schritte gibt es keine. „Im föderalen System ist das eine Länderangelegenheit“, stellt ein Sprecher des Bundesjustizministeriums klar. Wenn es zu einer solchen Datei ähnlich dem Bundeszentralregister für Straftaten komme, dann nicht unter der Regie des Bundesministeriums. Im Grundsatz teile man aber das Anliegen des Schutzes für Kinder.

MICHAEL BARTSCH