Der billige Tod

Welche Medikamente zahlt die Krankenkasse? Auch für Todkranke kommt die Kosten-Nutzen-Analyse

BERLIN taz ■ Wie teuer darf das Überleben sein? Die Kosten-Nutzen-Analyse ist besonders in der Krebstherapie eine heikle Sache. Sie entscheidet, wann die Krankenkasse Medikamente erstattet – und darüber, wann länger leben zu teuer wird.

Die Deutsche Krebsgesellschaft stellte am Montag ein Gutachten vor, in dem es um die Frage geht, wie man eine Kosten-Nutzen-Bewertung von Medikamenten in der Krebstherapie anwenden kann. Die Kosten-Nutzen-Bewertung gilt bereits seit 2007: Mit ihr soll berechnet werden, um wie viel besser ein neues Medikament ist und welche Kosten es verursacht. Die Bundesregierung hat sie eingeführt, um damit die steigenden Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente in den Griff bekommen – und den Vertrieb von teuren Scheininnovationen der Pharmaindustrie drosseln.

In der Onkologie, also der Krebsforschung, findet die Kosten-Nutzen-Rechnung bis jetzt noch nicht statt. Schon allein, weil erst einmal Kriterien für diese Rechnung gefunden werden müssen – und geklärt werden müsste, ob das nackte Überleben eines Patienten der alleinige Parameter sein kann. „Die Frage nach dem Nutzen ist natürlich besonders schwierig, wenn es nicht um Husten geht, sondern um Leben und Tod“, sagte der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, Werner Hohenberger.

Bewerten, was Nutzen ist, muss das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das die Kosten-Nutzen-Bewertung im Auftrag des Gesundheitsministeriums vornimmt. Die Krebsforschung ist bisher noch nicht von dieser Kosten-Nutzen-Analyse betroffen. Ullrich Graeven, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Onkologie in der Krebsgesellschaft, äußerte sich eher skeptisch: „Sicher muss man mit dem Kostendruck irgendwie umgehen. Aber ob die Kosten-Nutzen-Bewertung das richtige Instrument ist, weiß ich nicht.“

Das Überleben an sich könne kein ärztliches Kriterium für Nutzen sein, so Graeven. Einem Patienten helfe es schließlich auch, wenn ein neues Medikament weniger Nebenwirkungen habe als das alte. Außerdem könne der wahre Nutzen von neuen Arzneimitteln in der Krebstherapie oft nicht erkannt werden, schreibt die Krebsgesellschaft in ihrem Gutachten. Medikamentenstudien würden aus ethischen Erwägungen meistens bei Patienten gemacht, bei denen man keine Heilung mehr erwartet – um kein Risiko einzugehen.

LANA STILLE