Bulgarien, Hort der Korruption

Die EU-Kommission legte heute zwei kritische Berichte über das Balkanland vor. Danach machen sich Korruption und organisierte Kriminalität im Lande breit. Millionen EU-Gelder veruntreut

VON BARBARA OERTEL

Das EU-Neumitglied Bulgarien dürfte wieder einmal für negative Schlagzeilen sorgen. Am Mittwoch legt die EU-Kommission zwei Berichte vor: einen über die Fortschritte des Landes beim Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität sowie einen zweiten über den Umgang mit Mitteln aus EU-Fonds. Schon jetzt ist klar, dass Brüssel Sofia – wieder einmal – ein katastrophales Zeugnis ausstellen wird.

So heißt es unter anderem im Korruptionsbericht, der in Auszügen schon vorab bekannt wurde: „Korruption an höchster Stelle und organisiertes Verbrechen verstärken das Problem einer generellen Schwäche von Verwaltung und Justiz. Sofortiges Handeln ist notwendig.“ Andernfalls gingen Bulgarien Mittel aus EU-Fonds definitiv verloren.

Auch die Brüsseler Antikorruptionsbehörde OLAF, deren interner Bericht in der vergangenen Woche auf verschlungenen Wegen in den Besitz bulgarischer Medien gelangte, kommt ebenfalls zu einem wenig schmeichelhaften Urteil. So seien 32 Millionen Euro aus dem Sapard-Programm in Bulgarien veruntreut worden. Und weiter: „OLAF glaubt, dass es in der bulgarischen Regierung und/oder dem Staatsapparat einflussreiche Kräfte gibt, die kein Interesse daran haben, irgendjemanden von der Nikolow-Stojkow-Gruppe zu bestrafen.“ Die beiden Geschäftsmänner Mario Nikolow und Ljudmil Stojkow waren im Jahr 2006 nach Hinweisen von OLAF, aus dem Sapard-Fonds 7,5 Millionen Euro abgezweigt zu haben, verhaftet, dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Ein weiteres pikantes Detail: Stojkow soll die Wahlkampagne von Staatspräsident Georgij Parwanow 2007 besonders großzügig unterstützt haben.

Wegen absolut miserabler Noten bei der Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung – so wurde von Dutzenden Auftragsmorden seit 2001 bislang kein einziger aufgeklärt – legte Brüssel bereits im vergangenen März EU-Beitrittshilfen für Sofia in Höhe von 500 Millionen Euro auf Eis. Doch jetzt könnten die Ignoranz und Inkompetenz der bulgarischen Regierung das Land richtig teuer zu stehen kommen.

So plant Brüssel, zwei bulgarischen Agenturen, die EU-Mittel in Höhe von 610 Millionen Euro verwalten, die Lizenz zu entziehen, was automatisch den Verlust dieser Summe bedeuten würde. Insgesamt soll Sofia im Zeitraum zwischen 2007 und 2013 rund 11 Milliarden EU-Fördergelder für die regionale und landwirtschaftliche Entwicklung erhalten.

In der vergangenen Woche veröffentlichte die bulgarische Wochenzeitung Kapital eine Karikatur. Darauf ist Bulgariens sozialistischer Ministerpräsident Sergej Stanischew zu sehen, wie er, einen Sack voll Gelder aus dem Sapard-Programm an einem Stock über der Schulter, über den OLAF-Bericht stolpert. Doch derlei Kritik ficht den Regierungschef nicht an. In gewohnt arroganter Manier ließ er wissen, dass auch andere EU-Staaten ihre Probleme mit der Verwaltung von EU-Geldern hätten und Bulgarien sich gerade in einem Lernprozess befinde, wie diese Aufgabe transparent zu bewerkstelligen sei. Und Staatschef Georgi Parwanow verstieg sich sogar zu der abenteuerlichen These, von dem OLAF-Bericht müssten mehrere Versionen kursieren, da er in seiner keine Hinweise auf die Protektion Krimineller von oben habe finden können.

Angesichts einer derartigen Selbstsicherheit der Führungsspitze sind von einem Treffen der Regierungsparteien in dieser Woche wohl kaum personelle Veränderungen im Kabinett zu erwarten. Demgegenüber hat die Opposition bereits angekündigt, ein Misstrauensvotum einzubringen. Auch von einem möglichen Impeachmentverfahren gegen Parwanow ist bereits die Rede.

Doch völlig egal scheint es Sofia doch nicht zu sein, was man im Ausland denkt. Unlängst erfuhr die Öffentlichkeit von einer Imagekampagne. Diese habe eine österreichische Agentur im Auftrag der bulgarischen Regierung durchgeführt. Kostenpunkt: rund eine Million Euro. „Die werbewirksamste Kampagne für das Land wäre, Kriminalität und Korruption wirklich effektiv zu bekämpfen“, sagt ein bulgarischer Journalist. „Doch dazu fehlt der Regierung der Wille. Stattdessen streut sie der EU lieber weiter Sand in die Augen.“