Gesetz braucht noch Pflege

In Schleswig-Holstein wird das neue Heimgesetz beraten. Das soll die Rechte der BewohnerInnen schützen und zugleich bürokratische Hindernisse für neue Pflegeformen abbauen. Aber es gibt Kritik

Das Heimgesetz soll die BewohnerInnen von Heimen schützen, ihre Rechtsstellung und die Qualität der Betreuung sichern. Nach Inkrafttreten der Föderalismusreform 2006 ging die Gesetzgebungskompetenz in Sachen Heimrecht vom Bund auf die Länder über. Experten warnten damals vor einem Absinken der Qualitätsstandards: Je nach finanzieller Lage könnten beispielsweise Mehrbettzimmer wieder die Regel werden. Unter anderem verwies man auf den Vorstoß Baden-Württembergs, das 2004 vorschlug, die Fachkraftquote von 50 auf 33 Prozent zu reduzieren.  GRÄ

VON FRIEDERIKE GRÄFF

Noch ist Schleswig-Holstein in Norddeutschland Vorreiter in Sachen Heimgesetz. Im Januar nächsten Jahres soll das Gesetz, das derzeit beraten wird, in Kraft treten. In Niedersachsen haben gerade die Verbände ihre Stellungnahmen abgegeben, in Bremen soll im September ein Referentenentwurf vorgestellt werden, während Hamburg noch gar nichts vorgelegt hat. Dass es ein Heimgesetz gibt, ist außerhalb von Fachkreisen kaum bekannt – die Inhalte wirken sich aber unmittelbar auf die Bewohner von Pflegeeinrichtungen aus. So ist beispielsweise die Qualitätskontrolle vor Ort oder die Quote von Fachkräften im Heimgesetz festgelegt. Die Neufassung ist durch die Föderalismusreform notwendig geworden, die das Gesetz zur Kompetenz der Bundesländer gemacht hat. Zudem soll neuen Pflegeangeboten wie zum Beispiel den Demenz-WGs Rechnung getragen werden.

In Schleswig-Holstein trägt der Gesetzentwurf den programmatischen Titel „Selbstbestimmungsstärkungsgesetz“. Laut Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) bietet er eine „gute Balance zwischen dem Schutzbedürfnis der Betroffenen, der notwendigen Öffnung und Transparenz“ der Angebote einerseits und der „vertretbaren Straffung der gesetzlichen Bestimmungen“ andererseits. Das Gesetz verringere den bürokratischen Aufwand, lobte Trauernicht den Entwurf – so brauche man bei der Anmeldung künftig nur noch fünf statt wie bislang 13 Unterlagen.

Kritiker werfen dem Entwurf jedoch vor, weit hinter den Versprechungen zurückzubleiben. „Es stimmt nicht, dass er Bürokratie abbaut“, sagt Anna Meiners, Referentin für Altenhilfe und Pflege beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Bei der Anmeldung seien jetzt nicht weniger, sondern mehr Unterlagen beizubringen. Und bei den Kontrollen würden für stationäre Einrichtungen und Haus- und Wohngemeinschaften letztendlich gleiche Bedingungen gelten. Der Entwurf sieht vor, dass in „besonderen Wohn-,Pflege- und Betreuungsformen“ keine Regelprüfungen, sondern anlassgebundene Prüfungen stattfinden. Dann aber würden die Kriterien angelegt, die auch für vollstationäre Einrichtungen gälten. Weitere Kritik gibt es an der mangelnden Transparenz der Kontrollen. Den 15 Heimaufsichten in Schleswig-Holstein fehle, so das Forum Pflegegesellschaft und die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, ein einheitlicher Prüfungskatalog sowie einheitlich geschultes Personal.

Anna Meiners vom Paritätischen Wohlfahrtsverband warnt zudem vor überzogenen Erwartungen an das neue Heimgesetz: „Man kann nicht Qualität in die Einrichtungen hineinprüfen“. Vordringlich sei eine Veränderung der Rahmenbedingungen: So sei die Zahl der Auszubildenden im Altenpflegebereich um die Hälfte zurückgegangen, seitdem nicht mehr die Bundesagentur für Arbeit, sondern allein das Land Schleswig-Holstein für die Finanzierung von Umschulungen aufkomme.

In der Einschätzung, dass Kontrollen alleine wenig bewirken, ist sich der Paritätische Wohlfahrtsverband einig mit den Befürwortern des Gesetzesentwurfs. Der Vorsitzende der Bundeskonferenz zur Qualitätssicherung im Gesundheits- und Pflegewesen (BUKO-QS), Gerhard Igl, der beim Entwurf als Berater tätig war, sagt: „Mit Kontrollen ist nicht alles zu machen“. Deshalb sei es wichtig, die Beratungsstellen auszubauen. Gleichzeitig verweist er auf das Eigeninteresse der Verbände, deren 204 Änderungsvorschläge nun abgearbeitet werden müssten. Igl betont, dass die Qualität der Einrichtungen stark von der des Managements abhängig sei – und nicht, wie von den Verbänden oft beklagt, ausschließlich durch Geldmangel bestimmt. Die Befürchtung vieler Fachleute, dass sich durch die Ländergesetzgebung die Qualitätsstandards künftig nach Kassenlage bestimmten, will Igl weder bestätigen noch verneinen. „Dazu gibt es bislang keine seriöse Möglichkeit“.