Kubas Landlose bekommen Land

Nach der jüngsten Agrarreform können Bauern bis zu 13 Hektar Ackerfläche vom Staat pachten und sogar Saatgut auf Pump kaufen. Ein Novum im nachrevolutionären Kuba

HAMBURG taz ■ Die Bauern in Santa Clara waren ziemlich überrascht. Die Vertreter der Anap, der nationalen Vereinigung der Kleinbauern Kubas, teilten ihnen mit, dass sie ihnen ihre Wünsche nur mitzuteilen bräuchten. Ausrüstungsgegenstände, Maschinen, Geräte, Windmühlen oder auch Saatgut – alles könnte besorgt und über Kredite auch finanziert werden, erklärten die Funktionäre und ermunterten die Bauern, ihre Wünsche kundzutun.

Ein absolutes Novum in Kuba, wo bei allen Reformen in der Landwirtschaft immer vergessen wurde, auch einen Markt für das Agrar-Equipment zu schaffen. Doch damit soll nun Schluss sein, schenkt man den Worten der Anap-Funktionäre Glauben, die derzeit in Kuba für einen landwirtschaftlichen Neubeginn werben.

Die Basis dafür soll das Gesetz Nummer 259 liefern. Das legt die genauen Modalitäten fest, nach denen die Kleinbauern vom Staat brachliegendes Land pachten können. Bis maximal 13,43 Hektar kann demnach ein landloser Bauer vom Staat erhalten. Kleinbauern, die hingegen schon Land bestellen – und dieses produktiv nutzen –, können ihre Anbaufläche durch Zupachtung sogar bis auf 40,26 Hektar erweitern.

Mit dem Gesetz, welches an den tatsächlichen Besitzverhältnissen nichts ändert – denn die Flächen werden auf maximal 25 Jahre immer nur verpachtet –, hofft die Regierung in Havanna den maroden Agrarsektor des Landes zu reanimieren. Denn die Landwirtschaft sorgt seit Jahren für negative Schlagzeilen in der Presse: Allein zwischen 1998 und 2007 sind 33 Prozent der Anbaufläche aus der landwirtschaftlichen Produktion genommen worden.

Von den 6,6 Millionen Hektar werden offiziellen Quellen zufolge gerade noch 2,9 Millionen Hektar bestellt. Längst produzieren die 250.000 privaten Kleinbauern und die rund 1.000 privaten Kooperationen annähernd so viel wie der gesamte staatliche Agrarsektor. Der verfügt allerdings mit gut 75 Prozent der Ackerfläche über deutlich andere Voraussetzungen als die privaten Kleinbauern. Zudem haben die Privaten – anders als der staatliche Sektor – über Jahrzehnte kaum einen regelmäßigen Zugang zu Düngemitteln, Saatgut und anderen Hilfsmitteln gehabt.

An diesen Strukturen will man nun einiges ändern. Oberstes Ziel ist es, die „Lebensmittelproduktion zu steigern und die Importe zu verringern“. Längst ist die Lebensmittelversorgung für Staatschef Raúl Castro zur Frage der nationalen Sicherheit geworden, denn die Regierung kann sich die Importe kaum mehr leisten. Die lagen 2007 bei rund 1,7 Milliarden US-Dollar und könnten laut Castro in diesem Jahr aufgrund der gestiegenen Lebensmittelpreise sogar noch um 1 Milliarde Dollar teurer werden.

Der Druck ist also beachtlich – und deshalb werden den Bauern nun auch Produktionsmittel zur Verfügung gestellt. Die werden über Kredite aus dem Iran und Venezuela vorfinanziert. Eine Maßnahme, die vor allem von kubanischen Agrarexperten wie Armando Nova in der Vergangenheit immer wieder angeregt wurde.

Als dringend notwendig erachtet Nova auch eine strukturelle Reform des staatlichen Ankaufssystems, des Acopio. Das ist jedoch in den letzten Monaten nur partiell den veränderten Bedingungen angepasst worden.

Ob das reicht, um den Bauern ausreichende Anreize zu geben und so die Importabhängigkeit zu dämpfen, muss sich erst noch zeigen. KNUT HENKEL