Der ganz dezente Erstflug

Im Airbus-Werk Finkenwerder wird heute der erste Riesenjet A 380 an Emirate Airlines ausgeliefert – auf Wunsch der Franzosen ohne Standortfete. Selbst im Rathaus gibt es nur eine kleine Ehrung

Die 675 Hektar große Elbbucht Mühlenberger Loch war das größte europäische Süßwasserwatt und nach mehreren deutschen und Europäischen Naturschutzrichtlinien geschützt. Dennoch durfte mit EU-Erlaubnis seit 2001 etwa ein Viertel der Flachwasserzone aufgeschüttet werden, um dem angrenzenden Airbus-Werk Erweiterungsflächen zu bieten. Die Baukosten von mehr als 700 Millionen Euro hat die Stadt Hamburg getragen, Airbus investierte in etwa die gleiche Summe in neue Montagehallen und das Auslieferungszentrum für die Teilproduktion des doppelstöckigen Riesenjets A 380. Außerdem wurden Start- und Landebahn im Werk ausgebaut: diese wurde in zwei Schritten auf 3.273 Meter verlängert. Dafür wurden Teile des angrenzenden Obstbauerndorfes Neuenfelde planiert und die Straße ins Alte Land verlegt. Juristisch ist über die Rechtmäßigkeit der Baumaßnahmen das letzte Wort jedoch noch nicht gesprochen, vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht sind derzeit noch Klagen gegen die Planfeststellungen anhängig.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Scheich Ahmed bin Saeed Al-Maktoum ist in Hamburg ein wohl gelittener Mann. Gar nicht mal so sehr, weil Emirate Airlines, deren Vorstandsvorsitzender er ist, Trikotsponsor des Fußball-Erstligisten Hamburger Sportverein ist. Sondern vor allem, weil die Fluglinie der Herrscherfamilie über die Vereinigten Arabischen Emirate in der Hansestadt ordentlich shoppen geht. 58 Exemplare des Riesenjets Airbus A 380 haben die Herren am Persischen Golf bestellt, und den ersten Flieger holt Seine Hoheit am heutigen Montag höchst persönlich ab.

Nur wenig festlich wird es jedoch heute zugehen auf dem Werksgelände der deutschen Airbus-Zentrale in Finkenwerder, im Vordergrund stehen ganz nüchterne technische und bürokratische Abläufe. Seit Tagen schon würde „unheimlich viel Papierkram“ erledigt, seufzt eine Airbus-Sprecherin, um die international festgelegten Checklisten abzuarbeiten. Das größte Passagierflugzeug der Welt kostet immerhin etwas mehr als 300 Millionen Dollar pro Stück, da darf man es schon genau nehmen.

Gediegener wird es am Nachmittag im Hamburger Rathaus zugehen, wo Scheich Ahmed bin Saeed der Verfassungsportugaleser in Gold umgehängt wird. Diese altehrwürdige Gedenkmünze erhalten nur Menschen, die sich besonders um die Hansestadt verdient gemacht haben – das Gesamtvolumen von mindestens 15 Milliarden Dollar, das Emirate Airlines in die Flugzeuge aus Finkenwerder anlegt, gilt als ausreichend.

Das soll dem Vernehmen nach auch der Hauptgrund dafür sein, dass von einer Jubelveranstaltung auf der Startbahn abgesehen wird. Aus dem französischen Hauptsitz von Airbus sei signalisiert worden, man wünsche es dezenter. Denn vor allem im Zentralwerk Toulouse wurde mit Missfallen registriert, dass die Kundenströme Hamburg bevorzugen. Mit 119 von derzeit 198 bestellten Maschinen werden fast zwei Drittel in Finkenwerder ausgestattet und an die Fluggesellschaften aus Europa und dem Nahem Osten ausgeliefert.

Im Rathaus gibt es deswegen durchaus „eine gewisse Verstimmung“, denn auf eine großformatige Standortfete verzichten Senat, Wirtschaftsbehörde und Handelskammer nur ungern. Zum Glück aber ist das dem Scheich egal, und deshalb lässt Seine Hoheit sich vom 100-jährigen Dampfer „Scharhörn“ zum Gesang eines Shanty-Chors von Finkenwerder an die Landungsbrücken übersetzen und anschließend im Kaisersaal des Rathauses ehren.

Mit der Auslieferung des ersten Jets, der ab 1. August zwischen Dubai und New York im Liniendienst pendeln soll, endet faktisch ein rund 13-jähriger Kampf für und gegen das Airbus-Werk in Hamburg, das für den Riesenjet zweimal zu Lasten von Natur- und Landwirtschaftsflächen erweitert wurde (siehe Kasten).

Im April 1995 hatte Airbus unter dem Arbeitsnamen A 3XX ein eigenes Großraumflugzeug angekündigt, zehn Jahre später, am 27. April 2005, folgte der Jungfernflug ab Toulouse. Nachfolgend musste das Management Pannen in der Produktion einräumen; vor allem die Kabelmontage in Hamburg erwies sich wegen falscher Computerprogramme als problemanfällig.

Wegen der daraus folgenden Lieferverzögerungen musste Airbus milliardenschwere Verluste hinnehmen und startete im Oktober 2006 das Sanierungsprogramm „Power 8“. Dessen Ziel ist eine Steigerung der Produktivität, die Schließung oder der Verkauf mehrerer Werke in ganz Europa sowie der Abbau von etwa 10.000 Arbeitsplätzen.

Diese unschönen Nebenwirkungen aber werden heute weder auf Finkenwerder noch im Rathaus eine Rolle spielen. Und die Tatsache, dass die versprochenen ökologischen Ausgleichsflächen für das Mühlenberger Loch entweder nur mangelhaft oder gar nicht realisiert wurden, erst recht nicht.