Beerenauslesen für die Berliner Szene

Wein & Glas ist Spezialist für deutsche Rieslinge. Doch auch andere große europäische Weine lassen sich hier finden. Teil 2 der taz-Serie über Berliner Weinhandlungen

In wenigen Wochen ist es wieder so weit: Am 5. September präsentiert die Wein & Glas Compagnie im Hotel Brandenburger Hof die „9. Berliner Versteigerungsprobe“. Verkostet werden können die Rieslinge der bekanntesten deutschen Winzer – von Robert Weil und Egon Müller, von Schäfer-Fröhlich und Wittmann. Rieslinge, die nicht einfach in den Handel kommen, sondern die man ersteigern muss. Egal, ob es sich um eine Auslese für „nur“ 40 Euro oder eine 1994er Trockenbeerenauslese Brauneberger Juffer-Sonnenuhr von Fritz Haag für rund 2.400 Euro handelt.

Die Wein & Glas Compagnie ist der Berliner Spezialist für Rieslinge. Doch auch ansonsten liest sich der 90-seitige Weinkatalog der Wilmersdorfer Weinhandlung wie das Who’s who der europäischen Weinwelt. Lageder und Schreckbichl aus Südtirol. La Spinetta aus dem Piemont. Altesino und Lisini aus der Toskana, Chateau Margeaux oder Mouton-Rothschild aus dem Bordeaux. Champagner von Ruinart, dem ältesten Champagnerhaus der Welt, und schließlich die Burgunder der Domaine de la Romanée-Conti. Von ihnen erhält die Wein & Glas Compagnie aber nur 120 Flaschen pro Jahr, Flaschen, die schnell ausverkauft sind.

Entstanden ist Wein & Glas schon in den 70er Jahren, als ein Viermannkollektiv die Berliner Szene nicht nur mit Getränken, sondern auch mit Gläsern versorgte. Und als Kollektiv, so Sebastian Raabe, der bei Wein & Glas heute für die Öffentlichkeitsarbeit und den Einkauf zuständig ist, „fühlen wir uns hier immer noch“. Ein Kollektiv allerdings, das inzwischen größer und weiblicher geworden ist und sich in eine GmbH gewandelt hat. So wurden die Wilmersdorfer mit ihren 13 MitarbeiterInnen unter den „kleinen“ – das heißt nicht überregionalen – Berliner Weinhandlungen zu einer der größten.

Der Erfolg von Wein & Glas hängt natürlich auch mit dem jüngsten Erfolg des deutschen Weins zusammen. Seitdem US-amerikanische Fachzeitschriften zu Beginn des 21. Jahrhunderts zahlreiche deutsche Rieslinge mit Punktzahlen bis zum Maximum von 100 bewerteten, ist der lange als altmodisch geltende Lieblingswein Adenauers auch in Deutschland wieder in. Richtig Bewegung sei da gekommen in die Nomenklatura des deutschen Weinbaus, meint Sebastian Raabe zurückblickend. Was natürlich auch bedeutet, dass die Konkurrenz größer, der Kampf um den Kunden schärfer geworden ist.

Und es gibt auch im Weinbau inzwischen so etwas wie einen Verlust der Mitte. Mit den „Großen Gewächsen“, wie die deutschen Spitzenprodukte seit einigen Jahren heißen, werde immer mehr Aufwand getrieben. Unter 20 Euro sei da kaum mehr was zu haben. Daneben gebe es dann noch die – eher einfachen – Gutsrieslinge bis zehn Euro. Spätlesen, bisher in der mittleren Preisklasse, würden immer weniger hergestellt.

Einer derjenigen, die der bisherigen Nomenklatura inzwischen ziemlich Konkurrenz machen, ist Jochen Beurer aus dem Remstal – einer Weinregion, die jenseits von Württemberg bisher kaum bekannt war. Bei einer Blindverkostung hatte sein 2001 Stettener Pulvermächer einen Riesling aus dem Hause des ehemaligen kaiserlichen Hoflieferanten Robert Weil geschlagen. Noch kann man Beurers Weine bei Wein & Glas für rund 10 Euro kaufen. Noch. SABINE HERRE

Der Weinladen: Wein & Glas Compagnie, Prinzregentenstraße 2, 10717 Berlin-Wilmersdorf, U-Bahnhof Spichernstraße, www.weinundglas-berlin.de, Telefon: (0 30) 23 51 52-0, Öffnungszeiten: Mo.–Fr., 10–18.30 Uhr, Sa. 9.30–16 Uhr

Das besondere Angebot: Alle drei Jahre – das nächste Mal im Juni 2009 – lädt Wein & Glas rund 100 befreundete Winzer zur „Gala Großer Weine“ ein – einer der interessantesten Weinproben der Hauptstadt.

Der Weintipp von Sebastian Raabe: Odinstal 2007, Biowein aus der Pfalz, 15,20 Euro. Auf dem Etikett fällt sofort die Höhenangabe 350 N.N. auf. Normalerweise wachsen die Weine der Pfalz auf 150 bis 200 Meter über Normalnull, 150 Meter höher ist das Klima ein ganz anderes. Die für die Pfalz übliche würzige, volle Frucht und der kräftige Körper werden so durch eine pikante Säure ausbalanciert. Eine Möglichkeit, der Klimaveränderung zu begegnen, erst seit rund fünf Jahren wird der Weinberg wieder bewirtschaftet.

Und nächsten Dienstag: Nix wie Wein, Prenzlauer Berg