Technikberufe für Frauen wenig attraktiv

Die Wirtschaft will mehr Frauen in Ingenieursberufe locken. Eine aktuelle Studie zeigt: In vielen Betrieben orientieren sich die Arbeitszeiten an Männern. Der „Drehtüreffekt“ verhindert, dass Frauen Fuß fassen – sie wandern lieber in andere Jobs ab

von NICOLE JANZ

Glaubt man den Werbekampagnen von Bildungsministerium und Unternehmen, sind Technikberufe das Paradies: Hier werden qualifizierte Kräfte händeringend gesucht, die Gehälter sind hoch. Gleichzeitig versäumen viele Unternehmen, bessere Arbeitsbedingungen für Frauen zu schaffen – und vergraulen damit selbst den Nachwuchs.

„Die berufliche Realität ist lange nicht so rosig, wie es immer dargestellt wird“, sagt Franziska Schreyer vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Ihre Studie „Akademikerinnen im technischen Feld“, die kürzlich im Campus Verlag veröffentlicht wurde, beschreibt die Nachteile, die Ingenieurinnen und Naturwissenschaftlerinnen oft erleben.

Familie und Beruf sind vor allem im Maschinenbau, in der Elektrotechnik oder der Informatik kaum vereinbar. „Die Arbeitszeitkultur ist noch stark auf Männer ausgerichtet und grenzt Frauen tendenziell aus“, kritisiert Schreyer. Teilzeitarbeit sei in vielen Gebieten fast ein Fremdwort. Im Bereich Bauingenieurswesen arbeiten etwa nur vier Prozent der Erwerbstätigen in Teilzeit. „Ich denke, dass das auch jungen Frauen bekannt ist, und viele daher vor solchen Berufen zurückschrecken.“ Schon bei der Studienwahl macht sich das bemerkbar: Im Jahr 2006 lag der Frauenanteil bei den StudienanfängerInnen in Ingenieurswissenschaften bei 21 Prozent, bei den VeterinärmedizinerInnen waren es 84 Prozent.

Die wenigen Frauen, die sich für männerdominierte Berufe entscheiden, werden im Berufsalltag oft enttäuscht. Nicht nur die unflexiblen Arbeitszeiten, auch vergleichsweise geringere Löhne und Aufstiegsschwierigkeiten sind laut der IAB-Studie Gründe für den Frust von Ingenieurinnen. Im Alter bis 34 Jahre arbeiten rund 40 Prozent der Frauen in einfachen und mittleren Positionen, während sie von den Männern längst überholt wurden: Nur 26 Prozent der Kollegen arbeiten dann noch auf einfachen und mittleren Ebenen.

Diese Arbeitsrealität führt dazu, dass ein großer Teil derjenigen Frauen, die tatsächlich einen „Männerberuf“ studiert haben, letztendlich doch ausweichen. „Drehtüreffekt“ wird das in der IAB-Studie genannt: Sobald die Frauen die Tür zum Unternehmen aufstoßen, sind sie auch schon wieder draußen. „Viele werden dann doch Lehrerin und wählen die Vorteile des öffentlichen Dienstes“, sagt Schreyer. Entsprechend arbeitet nicht einmal jede dritte ausgebildete Ingenieurin im Ingenieursberuf. Jede fünfte arbeitet in Büro- und Verwaltungsberufen, die unter ihrer Qualifikation liegen. Und auch die Arbeitslosenquote der Frauen liegt im Bereich der Ingenieurswissenschaften über der der Männer.

Trotzdem: Franziska Schreyer will Frauen mit ihrer Studie nicht entmutigen: „Der Arbeitsmarkt ist insgesamt privilegiert, und die Gehälter sind sehr gut“, sagt Schreyer. Sie wolle aber auf die Ungleichheiten hinweisen und fordert, dass die Betriebe umdenken müssen. „Die Diskussion ist oft einseitig – man denkt immer an die widerspenstigen Frauen, die zur Technik gezwungen werden müssen“, so Schreyer. Dabei müsse sich die Arbeitswelt ändern.

Auch Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung sieht Handlungsbedarf. Die Pisa-Studie von 2006 und weitere Forschung hätten gezeigt, dass Mädchen in mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern im Vergleich zu Jungen kaum schlechtere Leistungen erzielen – und damit durchaus in männerdominierten Berufen erfolgreich sein könnten. „Aber wenn die Betriebe Frauen wollen, müssen sie umstellen“, so Allmendinger. „Mit ihren Arbeitsbedingungen müssen sie die Frauen willkommen heißen.“

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