Im Kaukasus droht ein neuer Krieg

Der Konflikt zwischen Georgien und Südossetien verschärft sich. Sechs Menschen werden bei Kämpfen getötet. 500 südossetische Kinder nach Russland evakuiert

BERLIN taz ■ Georgien und die abtrünnige Republik Südossetien stehen vor einem Krieg. Bei schweren Kämpfen wurden in den vergangenen Tagen mindestens sechs Menschen getötet. Am Wochenende begann Südossetien mit der Evakuierung der Zivilbevölkerung. 500 Kinder trafen laut Berichten aus Südossetien am Montag in Begleitung ihrer Mütter aus Zchinvali im russischen Nordossetien ein. Dort sollen sich inzwischen 2.500 evakuierte Südosseten befinden, berichten ossetische und russische Quellen. Georgien weist diese Darstellung jedoch zurück. Tatsächlich seien die Reisen schon lange geplant gewesen, die Mütter begleiteten ihre Kinder wie jedes Jahr auf ihrem Weg ins Sommerlager, so der für die abtrünnigen Provinzen zuständige Minister Temur Jakobaschwili.

Verschärft wird die Lage in Zchinvali durch den dort herrschenden Wassermangel. Bauern im georgisch kontrollierten Teil der Wasserleitung hatten diese an sechzig Stellen angezapft, die Regierung in Tblisi lässt sie gewähren. Als Folge davon erhalte Zchinvali, so der Bürgermeister Robert Guliew, nur noch 25 Prozent der üblichen Menge. Die georgischen Behörden seien nicht willens, hier Abhilfe zu schaffen. Wegen des niedrigen Wasserdrucks käme nur ein Bruchteil der üblichen Menge an, die Bevölkerung müsste mit Trinkwasser aus Zisternen versorgt werden. Wenn Georgien nicht einlenke, müsse es mit Gegenmaßnahmen rechnen.

Osseten und Georgier erinnern sich noch gut an die kriegerischen Auseinandersetzungen Anfang der 90er-Jahre, denen tausende Osseten und Georgier zum Opfer fielen. Vorausgegangen war den Kämpfen das Streben Südossetiens nach Unabhängigkeit. Zudem erschütterten im gleichen Zeitraum zwei weitere Kriege den Kaukasus: der zwischen Armenien und Aserbaidschan um Nagorni-Karabach sowie zwischen Georgien und Abchasien. Sollte es erneut zu einem Krieg zwischen Südossetien und Georgien kommen, könnte die ganze Region erneut destabilisiert werden. Der Präsident der anderen von Georgien abtrünnigen Republik Abchasien, Sergei Bagapsch, sagte unterdessen unter Hinweis auf die gespannte Lage seine Teilnahme an Berliner Vermittlungsgesprächen zum Abchasien-Konflikt ab.

Georgien und Südossetien beschuldigen sich gegenseitig, die Gewalteskalation verursacht zu haben. Nach Darstellung der georgischen Seite hätten die Streitkräfte auf einen Angriff auf georgische Dörfer reagiert, Südossetien erklärte, seine Hauptstadt Zchinvali sei von georgischer Artillerie beschossen worden.

Georgien rief Südossetien zu direkten Verhandlungen ohne jegliche Vorbedingungen auf. Eduard Kokojty, Präsident Südossetiens, lehnte dieses Angebot als „eine reine PR-Maßnahme“ ab. Verhandlungen mit Georgien werde es nur geben, wenn Nordossetien und Russland mit am Tisch säßen. BERNHARD CLASEN