Polnische Vertreibungen

taz: Herr Liedke, ist die Vertreibung der polnischen Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs durch die Ausstellung „Banwar“ komplett abgedeckt?

Karl Liedke: Nein. Die Vertreibung von Polen begann bereits im November / Dezember 1939. Aus den an Deutschland angegliederten polnischen Westgebieten in der Region Posen, in Nordpolen und in Schlesien wurde fast eine Million Polen vertrieben – hinein in das Generalgouvernement, das Teil des besetzen Polen war.

Haben nur die Deutschen Polen vertrieben?

Nein. Auch die Sowjetunion hat es getan.

Aus welchen Gebieten?

Am 17. September 1939 wurde Ostpolen von der Sowjetunion besetzt – in Absprache mit Deutschland, aufgrund des geheimen Molotow-Ribbentrop-Pakts. Aus diesen polnischen Ostgebieten wurden viele Menschen deportiert, die der Intelligenzija angehörten – Beamte und Angestellte im Staatsdienst etwa. Und zwar nach Kasachstan und Sibirien. Viele kehrten nie zurück.INTERVIEW: PS

Hinweis:KARL LIEDKE, 67, Historiker, war von 2000 bis 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen für die Neugestaltung der dortigen Dauerausstellung verantwortlich.