Bergedorf versus Vandalen

Im Bezirk Bergedorf haben sich die zur Anzeige gebrachten Fälle von Schmierereien im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Grund dafür ist eine überaus engagierte Initiative von Grundstücksbesitzern

Die Grundstücks- und Ladenbesitzer des Hamburger Bezirks Bergedorf waren 2005 Pioniere auf dem Gebiet der Straßenverschönerung. Als erstes Geschäftsviertel in Deutschland beantragten sie ein Business Improvement District (BID). Die Idee stammt aus Nordamerika. Ohne große Zuschüsse der Stadt sollen sich die Eigentümer selbst organisieren und eine Aufwertung der Böden und Fassaden finanzieren. Für eine wirtschaftlich attraktivere Einkaufsmeile zum Nutzen aller.  TAZ

von KRISTIANA LUDWIG

„Die einen gehen zur Schanze, wo alles schmuddelig und dreckig ist, die anderen mögen es lieber gepflegter“, sagt Hans-Helmut Willers. Er selbst zählt sich zur zweiten Sorte. Der 59-jährige Immobilienkaufmann ist Leiter einer Initiative von Grundstückseigentümern und Ladenbesitzern in Bergedorf, die sich stark macht gegen Schmierereien. Business Improvement District heißt das auf Neudeutsch. Ein BID erhält bei Gründung eine Art Hausrecht auf den öffentlichen Straßenraum vor der eigenen Ladentür. Die Mitglieder können dann zusammenlegen und, zu 50 Prozent unterstützt von Fördergeldern, richtig Reinemachen. Auf den Bürgersteigen und an den Hauswänden.

In Bergedorf funktioniert das prächtig, besonders im Kampf gegen die Sprüher und Vandalen der Innenstadt. Laut dem Hamburger Senat ist der Bezirk, gemeinsam mit Hamburg-Nord Spitzenreiter der Vandalismusanzeigen. Im Gegensatz zum Vorjahr sind 95 Prozent mehr Fälle von Sachbeschädigung zur Anzeige gebracht worden – davon zwei Drittel „Graffiti-Schmierereien“, sagt Polizeisprecher Ralf Meyer.

Drängenden Anlass zu der Kritzel-Razzia der Bergedorfer Anwohner gab es nicht. „Es waren nicht mehr Schmierereien als vorher zu verzeichnen“, sagt Hausbesitzer Willers. „Aber dadurch, dass jede kleine Sache zur Anzeige gebracht wurde, schoss die Zahl nach oben.“ Der Bergedorfer Polizeichef Lebandowski habe sie alle aufgefordert, jede Kleinigkeit zu melden.

Und so bleibt man fleißig. Es gibt genug zu tun in der Einkaufsstraße Sachsentor. Neben den neuen Blumenkästen haben die Ladenbesitzer auch eine Verschönerung der Schaltkästen geplant. Und dazu alle angerufen: das Bezirksamt, die Post, die Telekom und Vattenfall. Doch die lassen auf sich warten. Obwohl die Kästen echt „schmuddelig“ sind.

Viele Bemalungstäter wurden aber noch nicht gefasst. Die Aufklärungsquote der Polizei sank von 24 auf 19 Prozent. Grund dafür seien die mangelnden Festnahmen von Serientätern, sagt Pressesprecher Meyer. Doch Hoffnung gibt es trotzdem: „Vor einigen Jahren waren die Straßen schon mehr betroffen“.

Die Ermittlungsgruppe „Graffiti“, die sich mit acht bis zehn Beamten der „Tags“ und „Styles“ annimmt, kann nicht allzu viel beitragen. Eine Festnahme inflagranti sei optimal, sagt Meyer, doch in vielen Fällen sei die Polizei auf die vorhandenen „Spuren“ angewiesen. So könne beispielsweise die Beschaffenheit des Schriftzuges ausgewertet werden.

Barbara Uduwerella gerät bei diesen Aufklärungsmethoden in Rage. „Tags“, die Kürzel der Sprüher, würden häufig gefälscht und missbraucht, sagt sie. Die Sozialarbeiterin ist mit ihrem Projekt Hip-Hop Hamburg Ansprechpartnerin für die Jugendlichen, aber auch für die Geschädigten von Graffiti und Schmierereien. Eine Anklage eines Einzelnen für alle Bilder, unter denen augenscheinlich sein Kürzel prangt, sei nicht rechtmäßig. Und auch die zum Teil hohen Geld- oder Haftstrafen der Sprüher findet sie überzogen: Mit einem alkoholgetränkten Lappen lasse sich Vieles günstig entfernen.

Für den gebürtigen Bergedorfer Willers ist Sprühen dennoch „keine Bagatelle mehr.“ Rund 100.000 Euro Schaden pro Jahr würde die Farbe verursachen, rechnet er vor. Sein eigenes Grundstück, ein mit verklinkertes Fachwerkhaus, sei zwar kaum betroffen. Aber „Bergedorf ist ein gepflegtes, kleines Städtchen“ und damit das so bleibt, möchten er sich engagieren. Zusammen mit 156 anderen Grundeigentümern.

Eines möchte Willers aber klarstellen: „Wir versuchen, den Begriff ‚Graffiti‘ zu vermeiden“, sagt er. Graffiti sei Kunst. Sozialarbeiterin Uduwerella kann auch die Schmierer verstehen: Es handele sich um Kommunikation und Provokation im öffentlichen Raum, aber auch um Rivalitäten zwischen Sprüher-Gangs, sagt sie.