Zweifel an der Einzeltäterthese des FBI

Für die US-Ermittler gilt der Fall der 2001 verschickten Anthraxbriefe als abgeschlossen

BERLIN taz ■ Im Fall der Briefe mit Milzbranderregern, die 2001 an verschiedene öffentliche Einrichtungen versandt worden waren, sind die Ermittlungen abgeschlossen. Das gab das FBI am Mittwoch bekannt. Der Täter sei Bruce Ivins, ein Mikrobiologe, gegen den bereits längere Zeit ermittelt worden war.

Durch die in Briefen verschickten Milzbrandsporen waren im Oktober 2001, wenige Wochen nach den Anschlägen am 11. September, fünf Menschen ums Leben gekommen und 15 andere erkrankt. Staatsanwalt Jeffrey Taylor sagte, Ivins habe als Einzeltäter gehandelt. Man könne „zweifelsfrei beweisen“, dass er der Schuldige sei.

Der 62-jährige hatte für die Armee an Verteidigungssystemen gegen bioterroristische Anschläge geforscht. In der vergangenen Woche hatte er sich das Leben genommen, nachdem 18 Monate lang gegen ihn ermittelt worden war.

Seit Oktober 2001 untersuchen Behörden den Fall – zu Anfang galt als sicher, dass al-Qaida mit den Anschlägen im Zusammenhang stand. 2005 gelang es den Ermittlern, das in den Briefen verwendete Anthrax genetisch dem Labor zuzuordnen, in dem Ivins arbeitete. Das FBI war auf ihn aufmerksam geworden, weil er in der Zeit, in der die Briefe verschickt wurden, nachweislich mehrmals nachts im Labor gewesen war. Für diese Nachtschichten konnte er angeblich keine ausreichende Erklärung abgeben.

Ivins’ Verteidiger sagte gegenüber der New York Times, es sei keineswegs sicher, dass Ivins als Einziger Zugriff zu dem fraglichen Stoff gehabt habe. Auch andere Wissenschaftler hätten bei der Herstellung von Anthrax mitgeholfen und seien ständig damit in Berührung gewesen. Mehr als hundert Menschen hatten Zugang zu den fraglichen Anthrax-Proben. Ein von der Zeitung befragter Spezialist für biologische Kriegsführung gab an, die vom FBI veröffentlichten Unterlagen enthielten eine Reihe von Lücken und Rückschlüssen. Laut CNN beschuldigen Ivins’ frühere Kollegen das FBI, den Wissenschaftler und seine Familie so lange verfolgt zu haben, bis er sich das Leben nahm. Die Polizisten hätten Ivins’ 24-jährigen Sohn befragt und ihm für Informationen über seinen Vater die Belohnung von 2,5 Millionen Dollar angeboten, die für die Ergreifung des Attentäters ausgesetzt war.

Zweifel an den Ermittlungsergebnissen des FBI meldet der Biowaffenexperte Jan van Aken vom Sunshine Project an, einer internationalen Organisation für den Kampf gegen Biowaffen. Die veröffentlichten Unterlagen ließen viele Fragen offen, so van Aken, für die Einzeltätertheorie gebe es keine Beweise. Außerdem seien von über 1.000 Milzbrandproben aus Laboratorien weltweit „immerhin acht genetisch identisch mit den Sporen in den Briefen“. Das FBI gab an, niemand außer Ivins habe Zugang zu den verwendeten Milzbrandsporen gehabt. LEONIE ROOS