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Schlusslicht Opposition

Eine Falschmeldung und ihre Reflexe: Wie eine Nachricht bei Grünen, SPD und Linkspartei in Hannover Karriere macht. Und wie es wirklich mit den Investitionen in Krankenhäusern aussieht

VON KAI SCHÖNEBERG

„Niedersachsen Schlusslicht“ – eine Schlagzeile, die bei der darbenden Opposition in Hannover zur Ausschüttung von Glückshormonen führt. Besonders leuchtende Augen dürfte eine gleichlautende Überschrift der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vom vergangenen Dienstag 16.26 Uhr erzeugt haben. Laut Landesgesundheitsbehörden gäbe es bei den Krankenhausinvestitionen pro Kopf bundesweit große Unterschiede. So seien 2006 in Baden-Württemberg 28 Euro, in Bayern 36 und in Hamburg 63 Euro ausgegeben worden. „Schlusslicht ist Niedersachsen mit 15 Euro“, schrieb die dpa.

Am Donnerstag reagierten die Grünen: „Niedersachsen bundesweit Schlusslicht bei den Krankenhausinvestitionen – Landesregierung trägt Mitverantwortung für dramatische Situation in den Krankenhäusern“, prügelten sie um 11.36 Uhr auf Gesundheitsministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) ein. Bezugsgröße waren nun die Investitionen pro Fall, über die schon vor Monaten gestritten worden war – und nicht mehr die pro Einwohner. Kaum eine Stunde (12.26 Uhr) später begriff auch die SPD die Lage: „Landesregierung spart Krankenhäuser kaputt“, fachten die Sozialdemokraten die Empörung über die miserablen Zustände in den Hospitälern zwischen Elbe und Ems an.

Stante pede lieferte Die Linke nach: Um Punkt 12.43 Uhr schickten die Parlamentsneulinge gleich zwei Pressebulletins in den Nachrichtenäther. Es waren alte, bereits versendete Meldungen, frei nach dem Motto: Wir haben‘s schon immer gewusst. Tenor: „Die Krankenhausförderung muss angehoben werden – Niedersachsen ist Schlusslicht –Landesregierung stiehlt sich aus der Verantwortung“.

Dumm nur eins: Die Quelle des Aufruhrs, die dpa, hatte sich geirrt. Offenbar unbemerkt von den Oppositionsparteien schickte die Agentur noch am gleichen Tag zwei Stunden später eine Berichtigung über den Nachrichtenticker. Die tatsächlichen Krankenhausinvestitionen lägen nach Angaben des niedersächsischen Sozialministeriums viel höher: „Das Land lag damit auf Platz 10 der Rangliste und nicht am Schluss“.

Dennoch hatte Ministeriumssprecher Christian Stichternath am Donnerstag jede Menge zu dementieren. „Unsinn“ seien die Zahlen der Opposition. Die Parteien hätten schlicht millionenteure Reparaturen beim Investitionsranking unterschlagen.

Da konnte auch die CDU nicht mehr Wasser halten: Die Grünen sollten „bei diesen sommerlichen Temperaturen auf komplizierte Rechenoperationen verzichten und im kühlen Schatten bleiben“, hieß es in einer Mitteilung. Da war es 16.12 Uhr.

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