Soldaten machen klar Schiff

Das Wasser ist sauber, die olympischen Segelwettbewerbe können losgehen: Der Algenteppich im Meer vor Qingdao ist verschwunden. Dafür treibt der chinesische Sicherheitswahn vor Ort neue Blüten

QINGDAO taz ■ Wenn Stefanie Rothweiler und Vivienne Kussatz am frühen Morgen aus ihrem Zimmer im Olympiadorf aus dem Fenster schauen, kommen sie sich vor wie in einem Luxushotel: Weit geht der Blick über den Segelhafen auf das Meer und die Regattastrecke – dort, wo sie in wenigen Tagen mit ihrem Boot der 470er Klasse um Gold kämpfen werden.

„Echt nobel hier“, sagt die 29-jährige Rothweiler, „schicker als in Athen.“ Über dem Pier liegt die Luft schwül und heiß, doch am Nachmittag weht eine frische Brise. Letzte Vorbereitungen in Qingdao: Am Samstag beginnen hier die Segelwettbewerbe, und die beiden deutschen Seglerinnen hoffen auf eine Medaille.

Das Meer ist nun sauber, der riesige Algenteppich verschwunden. Zehntausende Soldaten, Freiwillige und Bewohner der Stadt haben die stinkende grüne Masse aus dem Wasser gefischt. „Wir haben keine Algen gesehen“, sagen Rothweiler und Kussatz, als sie nach einer Trainingsfahrt an ihrem Boot arbeiten. Um zu verhindern, dass der Wind neue Algen auf die Regattastrecke treibt, haben die Organisatoren weiträumig Netze um das olympische Segelrevier gezogen. Zur Sicherheit sind an diesem Morgen einige Dutzend Fischerboote hinausgefahren. Fast alle Segelteams aus aller Welt sind bereits im Olympiazentrum eingetroffen, das zu den modernsten der Welt gehört: Einst stand hier eine Werft, nach den Spielen sollen hier Kreuzfahrtschiffe und Jachten ankern. Ungefähr 330 Millionen Euro hat die Anlage gekostet, auf dem nun auch ein Luxushotel mit Konferenzsälen und unterirdischem Geschäftszentrum liegen.

Aber nun ist das Gelände abgesperrt, Soldaten, Polizisten und Studenten in blau-weißen Hemden kontrollieren Sportler und Besucher. Am Eingang wacht ein bewaffneter Polizist mit Stahlhelm vor einem dunkelblauen Panzerwagen. Ein Stück weiter rollen Elektrowägelchen herbei, um Athleten und Betreuer zu den gläsernen Wohntürmen, zum Segelhafen oder zum Medienzentrum zu transportieren. Zwei mit Kameras ausgerüstete Hubschrauber für Luftaufnahmen stehen auf der Pier. Techniker erproben die Funkanlage.

Noch wirkt die Atmosphäre auf dem Gelände ruhig und entspannt. Draußen auf der Hongkong-Straße braust der Verkehr, die Laternen sind mit Olympia-Fähnchen geschmückt, vor dem Massagesalon „Blaues Meer“ stimmen sich die Masseurinnen mit einem Tänzchen auf den Abend ein. Wie in Peking haben die Behörden auch in Qingdao Sicherheit an die erste Stelle gesetzt: Nicht nur Ausländer, auch chinesische Bewohner der Acht-Millionen-Metropole wurden in den vergangenen Wochen immer wieder überprüft. Einige ausländische Bewohner durften ihr Visum nicht verlängern und mussten abreisen.

Der Sicherheitswahn treibt immer neue Blüten. Erst vor wenigen Tagen befahl die Qingdaoer Regierung, viele internationale TV-Sender zwischen dem 5. August und dem 15. September abzuschalten. Dazu gehören die britische BBC und die Deutsche Welle. „Eine Begründung gab es nicht“, sagt der Generaldirektor der Interconti-Gruppe, Arno Nicolussi Moretti, der den Betrieb des Olympiadorfs managt.

In einem Café einige hundert Meter außerhalb des Olympiadorfs malen derweil russische Segler Kringel und Pfeile auf einen weißen DIN-A-4 Zettel: Nicht die Algenpest, sondern die ungewöhnlich starke Strömung im Regattarevier von Qingdao macht den Seglern zu schaffen. Nun debattieren sie über die beste Taktik, die Strömung zu besiegen. „Es ist, als ob man auf einem Fluss segelt“, sagt auch Stefanie Rothweiler vom deutschen Team.

„Ohne guten Wind kommt man nicht vom Fleck – besonders, wenn man schwer ist“, sagt der Kieler Tornadosegler Johannes Polgar, „da zählt jedes Kilogramm.“ Deshalb hat bei den Seglern von Qingdao „das große Fasten eingesetzt“, wie der Kieler Polgar lächelnd berichtet. Er und sein Kosegler Florian Spalterholz haben deshalb seit April zusammen zehn Kilogramm abgenommen. JUTTA LIETSCH