Russland marschiert

TIFLIS/PARIS/BERLIN/MOSKAU ap/afp ■ Nach der Eroberung von Südossetien sind russische Truppen auch in georgisches Kernland vorgestoßen. Am Montagabend besetzten sie offenbar die Stadt Gori. Die georgischen Soldaten hätten den Befehl erhalten, sich aus Gori zurückzuziehen, sagte der Chef des georgischen Nationalen Sicherheitsrats, Alexander Lomaja. Die Truppen verstärkten nun ihre Positionen in der Nähe von Tiflis, um die georgische Hauptstadt zu verteidigen.

Gori ist die größte georgische Stadt in Grenznähe zu Südossetien. Mit Beginn der georgischen Militäroffensive in Südossetien am vergangenen Freitag war die Stadt zum Ziel russischer Luftangriffe geworden. Am Montagmittag hatte Georgien eine von der Europäischen Union vermittelte Waffenstillstandsvereinbarung unterzeichnet. Präsident Michail Saakaschwili erklärte, er habe das Abkommen im Beisein der Außenminister Frankreichs und Finnlands, Bernard Kouchner und Alexander Stubb, unterschrieben. Beide wollten jetzt nach Moskau reisen, um Russland ebenfalls zur Annahme der Vereinbarung zu bewegen.

Die EU will erreichen, dass die Kämpfe in Südossetien sofort aufhören, dass Russland die Unversehrtheit der georgischen Landesgrenzen achtet und dass die Konfliktparteien die Lage wiederherstellen, die vor Beginn der Auseinandersetzungen herrschte. Saakaschwili sei mit „fast allen Vorschlägen“ der EU einverstanden, sagte Kouchner.

Ein Ende der Gefechte in Südossetien zeichnete sich indes nicht ab. Russische Truppen drangen am Montag auch in die westgeorgische Stadt Senaki vor. Dies berichteten russische Nachrichtenagenturen. Damit sollten demnach neue georgische Angriffe auf Südossetien verhindert werden. Das georgische Verteidigungsministerium gab bekannt, russische Soldaten hätten einen Militärstützpunkt in der Stadt besetzt. Die russischen Streitkräfte hatten zuvor erklärt, Moskau hege keinerlei Absicht, mit seinen Truppen weiter nach Georgien vorzurücken. Die Friedenstruppen in Südossetien und Abchasien blieben zum Schutz der dortigen russischen Bevölkerung jedoch in Stellung. Beide Regionen haben sich 1992 von Georgien losgesagt und werden von Russland unterstützt, international jedoch nicht anerkannt.

Bereits zuvor bombardierten russische Kampfflugzeuge nach Angaben des georgischen Innenministeriums Ziele am Rande von Tiflis, darunter Kommunikationseinrichtungen sowie den Schwarzmeerhafen Poti. Russland wiederum warf Georgien vor, seine Zusage eines Waffenstillstands vom Sonntag gebrochen und die südossetische Hauptstadt Zchinwali erneut beschossen zu haben. Der Kommandeur der in Südossetien stationierten russischen Friedenstruppen erklärte, die georgischen Streitkräfte hätten russische Stellungen über Nacht mit schwerer Artillerie beschossen und dabei auch Kampfflugzeuge eingesetzt.

In Abchasien schien sich der Konflikt nach einem russischen Ultimatum an die georgischen Streitkräfte weiter zuzuspitzen. Der Kommandeur der dortigen russischen Friedenstruppen, General Sergei Tschaban, forderte die georgischen Truppen am Rande der Region ultimativ zur Niederlegung ihrer Waffen auf. Andernfalls würden russische Soldaten auf georgisches Territorium vorrücken. Abchasien hatte am Wochenende angesichts des Konflikts in Südossetien eine militärische Mobilmachung verfügt.

Trotz des militärischen Konflikts in Georgien will Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag zu ihrem geplanten Treffen mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew nach Sotschi reisen. Gerade in dieser Situation sei es „wichtig, miteinander zu sprechen“, erklärte Regierungssprecher Thomas Steg. Statt neuer Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Russland werde nun „die aktuelle Krise in Georgien eindeutig die Gespräche mit dem russischen Präsidenten bestimmen“, so Steg.