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Parallel-Universen

Kaum zu überblickende Versionen: Bitte den 3-D-computeranimierten Spielfilm „Star Wars: The Clone Wars“, der jetzt im Kino startet, nicht mit der TV-Zeichentrickfilmserie „Star Wars: Clone Wars“ verwechseln

Hochwertiger Mist und fruchtbarer Kompost, auf dem noch das mickrigste Pflänzlein großgezogen werden kann

VON DIETMAR KAMMERER

„Star Wars: The Clone Wars“ ist ein 3-D-computeranimierter Spielfilm, der in diesen Tagen auf allen Kontinenten dieses Globus in den Kinos gestartet wird. Zugleich ist es der Pilotfilm für „Star Wars: The Clone Wars“, einer fürs Fernsehen entstandenen Miniserie gleichen Namens und gleicher Machart, die ab Oktober vorerst nur fürs US-amerikanische Fernsehpublikum ausgestrahlt wird.

Beide Unterhaltungsprodukte sollte man darüber hinaus auf keinen Fall mit der zwischen 2003 und 2005 ausgestrahlten, noch im traditionellen Zeichentrickverfahren entstandenen TV-Serie „Star Wars: Clone Wars“ (ohne vorangestellten Artikel) verwechseln und schon gar nicht mit der mit echt lebendigen Schauspielern gedrehten Live-Action-Fernsehserie „Star Wars“ (vorläufiger Arbeitstitel), die sich augenblicklich noch im Planungsstadium befindet und voraussichtlich erst 2009 oder 2010 ausgestrahlt werden soll.

Die am Computer entstandenen sowie die gezeichneten TV-Produkte und der neue Kinofilm nämlich berichten von Ereignissen, die sich zeitlich in etwa zwischen den beiden Kinofilmen „Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger“ und „Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith“ ansiedeln lassen, während die noch zu produzierende TV-Serie (die mit den Darstellern aus Fleisch und Blut), glaubt man den einschlägigen Foren sowie der Flut offizieller Pressemitteilungen auf www.starwars.com, von Ereignissen berichten wird, die in der Zeitspanne zwischen „Die Rache der Sith“ und „Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung“ voneinander trennt. Noch einmal und langsamer zum Mitschreiben?

„Episode IV – Eine neue Hoffnung“ trug im vordigitalen Zeitalter vor knapp dreißig Jahren übrigens noch den einfachen Titel „Krieg der Sterne“ und war eine derart simpel gestrickte Story, dass Kinogänger zwischen sechs und sechzig weltweit die Räuber-und-Gendarm-Geschichte um den gerechten Luke Skywalker, den verwegenen Han Solo und den asthmatisch röchelnden Darth Vader in ihr Herz schließen konnten. Aber das war im letzten Jahrtausend.

Seither wurde das einst übersichtliche „Star Wars“-Universum in unzählige Parallelwelten zersplittert. Von seiner „Skywalker“-Ranch in Kalifornien aus hat George Lucas ein weltumspannendes und minutiös getaktetes Franchise-Imperium geschaffen, das die Kunst des Zeichen-Recycling bis zur Perfektion entwickelt hat. Nebenfiguren aus der zweiten Reihe, die im Kinofilm für eben mal zwei Minuten zu sehen waren, haben eigene Comic-Serien verpasst bekommen. Horden von Romanautoren haben die Biografien jedes einzelnen Charakters mit der Akribie mittelalterlicher Hagiografen aufgezeichnet.

Mit Hilfe Dutzender von Videokonsolen fechten Millionen Stubenhocker als virtuelle Jedi-Ritter den Kampf gegen die dunkle Seite der Macht. Die Ewoks, die pelzigen kleinen Baumhausbewohner aus „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, durften in zwei abendfüllenden Spielfilmen die Titelrolle übernehmen. Kurz gesagt: Vor den Augen des „Star Wars“-Schöpfers ist nichts und niemand zu unbedeutend, um nicht bis zum letzten verwertbaren Tropfen ausgemelkt zu werden. Oder um es mit einem Filmzitat zu umschreiben: „Die Macht umgibt uns, sie durchdringt uns, sie hält die Galaxien zusammen“, und, möchte man ergänzen, sie kann noch den geringsten ihrer Bestandteile zu vermarktbarer Größe aufblasen. Vier knappe Dialogzeilen aus dem Originalfilm von 1977, in denen die sogenannten „Klonkriege“ mal am Rande erwähnt wurden, bilden jetzt die Basis für einen Kinofilm und die auf (mindestens) hundert Folgen angelegte, am Rechner animierte TV-Serie.

So sieht ideale Wiederaufbereitung aus. Das Erfolgsrezept der Sternenkriege war ja immer, dass sie von Anfang an ein wildes Potpourri aus Märchen, Spukgeschichten, Wilder Westen und epischer Familienchronik waren. Da war für jeden was dabei. Inzwischen ist man allerdings vom fordistischen Prinzip Massenproduktion (das Gleiche für alle) zur hochspezialisierten Produktion für das jeweilige Nischenpublikum übergegangen (jedem das Seine). So gibt es Star-Wars-Merchandising für Nostalgiker, für Gothic-Fans, für Legolandfreunde, fürs Vorschulalter. Von „The Clone Wars“ mögen sich Enddreißiger mit Grausen abwenden, den Geschmack der Nachwendegeneration haben die Macher sehr genau getroffen. Die übergroßen Augen der Figuren und der dynamische Schnitt sind von japanischen Anime abgeschaut, die Sprüche und die Probleme der Protagonisten sind auf dem Niveau von Teenager-Serien im Vorabendprogramm. Nun soll das Fazit aber keineswegs lauten, „Star Wars: The Clone Wars“ sei nichts als purer Mist, was zwar niemand bestreiten kann, der recht bei Verstand ist, was aber zugleich ein wenig origineller Vorwurf ist und einem außerdem den ebenfalls ziemlich ausgelatschten Vorwurf einbringt, man vertrete einen rückständigen und letztlich elitären Kulturindustrie-Begriff. Daher eine Variante: „Star Wars“ ist in Wirklichkeit hochwertiger Mist, ein fruchtbarer Kompost, auf dem noch das mickrigste Pflänzlein großgezogen werden kann.

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