Eine Gefahr für Russland

Viele Moskauer sind wegen des Kriegs beunruhigt. Allerdings sind sie auch davon überzeugt, dass Russland nicht Schuld an der Eskalation trägt

MOSKAU/BERLIN taz ■ Der Krieg mit Georgien hat die Moskauer aus ihrer Urlaubsstimmung herausgerissen. Für gewöhnlich leeren sich im August die notorisch verstopften Straßen ein bisschen und es kehrt ein wenig Ruhe ein.

Damit ist es jetzt vorbei. Seit das russische Fernsehsender rund um die Uhr Kriegsbilder in die Moskauer Wohnzimmer übertragen – was keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist –, ist der Konflikt mit Georgien Gesprächsthema Nummer eins in der russischen Hauptstadt. „Egal wohin ich gehe, ich spreche mit meiner Familie, mit meinen Freunden und in der Arbeit darüber“, sagt die 29-jährige Olga, die in Moskau bei einer internationalen Firma arbeitet.

In der russischen Bevölkerung überwiegt die Meinung, dass Russland seinen in Bedrängnis geratenen Landsleuten in Südossetien zu Hilfe kommen musste. Dazu trägt sicherlich das Bild bei, das russische Fernsehsender, die zum Großteil im Besitz des Staates sind, vermitteln.

„Die Moskauer Medien versuchen die USA und den verrückten Präsidenten Georgiens als Schuldige darzustellen“, beschreibt Olga die Situation. Selbst die kremlkritische Opposition, wie die westlich orientierte Jabloko-Partei, unterstützt den Kriegskurs der Regierung: „Der russische Präsident hatte einfach keine andere Wahl, als unverzüglich mit Macht einzugreifen, um die Zahl der Opfer dieses Konflikts zu minimieren“, teilte Jabloko mit.

„Russland darf sich nicht provozieren lassen“, sagt der Bankangestellte Sergej, der eigentlich gegen einen Krieg ist. Aber er befürchtet, dass es andere Länder Georgien nachmachen könnten und Russland auf der Nase herumtanzen. Laut einer Meinungsumfrage des Moskauer Levada-Zentrums sind 53 Prozent der Bevölkerung mehr oder weniger davon überzeugt, dass Georgien eine Gefahr für die nationalen Interessen Russlands darstellt. 33 Prozent sind der Meinung, dass Südossetien und Abchasien zu Russland gehören. 26 Prozent denken, dass die beiden Kaukasusrepubliken unabhängig werden sollten.

Trotzdem hofft die russische Bevölkerung, dass dieser Krieg bald beendet wird und dass es nicht zu einem Flächenbrand in der Region kommt. „Ich bin 100 Prozent gegen diesen Krieg. Es gibt keine Logik oder Strategie hinter diesem Konflikt. Wir wollen, dass diese Dummheit bald vorbei ist“, sagt Olga.

Minderheiten in Angst

Auch wenn die Kriegshandlungen vorläufig eingestellt sind, haben viele in Russland lebende Georgier Angst, auf die Straße zu gehen. Der russische Präsident Medwedjew hatte zwar während der Kriegshandlungen versichert, dass Georgier mit einer gültigen Aufenthaltsberechtigung nichts zu befürchten hätten. Doch russische Nationalisten hatten die Stimmung angeheizt, indem sie die Internierung georgischer Staatsbürger gefordert und „Besuche“ von Wohnungen von Georgiern ohne gültige Aufenthaltserlaubnis und „kriminellen Georgiern“ angekündigt haben.

Umgekehrt hatte Medwedjew in den vergangenen Tagen die georgischen Behörden dafür kritisiert, die Bewegungsfreiheit russischer Staatsbürger in Georgien einzuschränken. Die Menschenrechtsorganisation Memorial berichtete bereits von einem ersten Fall von Brandstiftung. Im inguschetischen Nasran sei ein georgisches Restaurant abgebrannt worden.

VERENA DIETHELM,
BERNHARD CLASEN