Schönheit muss nicht jung sein

Starfotografen träumen anders: von reifen, charismatischen Frauen, die außerdem noch schön sind. Dass die Mode-Profis, wären sie frei von Marketing-Zwängen, ganz andere Frauentypen zeigen würden, demonstriert die im September in Hamburg eröffnende Ausstellung „Traumfrauen“

Ja, diese Ausstellung handelt vom Klimawandel. Nicht vom meteorologischen – obwohl die Kuratorin den auch schon mal abgehandelt hat. In dem Fotoband „Verschwindende Landschaften“ nämlich, den Nadine Barth kürzlich herausgab und der ästhetische, vergängliche Areale zeigt.

Dem Wandel des optischen Klimas – und mit Gesichts-Landschaften – widmet sich die Ausstellung, die Barth jetzt für die Hamburger Deichtorhallen konzipiert hat: „Traumfrauen. 50 Starfotografen zeigen ihre Vision von Schönheit“ heißt die Schau. Dass die meisten der hier präsentierten Fotografen männlich seien, habe nichts mit mangelnder Emanzipation zu tun, sondern damit, „dass Männer diesen Markt immer noch beherrschen“, sagt Barth.

Dabei schauen auch die männlichen Modefotografen längst nicht mehr so oberflächlich, wie oft vermutet. „Ich habe einen Wandel beobachtet“, sagt die Journalistin, die Philosophie, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft studiert hat und derzeit eine Kunst-Agentur in Köln und Hamburg betreibt. Fast kein Fotograf habe auf die Ausschreibung hin „15-jährige Hungerhaken“ geschickt. Die Fotografen, die ausdrücklich nicht kommerzielle Fotos einreichen sollten, schickten stattdessen meist Bilder wohl genährter Frauen. Zudem straft diese Schau den Jugendwahn Lügen: Models um die 40 überwögen, sagt Barth. „Frauen, die nicht nur eine schöne Hülle mitbringen, sondern auch Persönlichkeit. Naomi Campbell und Cindy Crawford etwa: Frauen, die neben ihrer Model-Tätigkeit Charity-Aktionen oder Designer-Firmen leiten. Die großen Models aus den 80ern.

Dass ausgerechnet Star-Fotografen, die im kommerziellen Betrieb explizit auf Jugendbildnisse verpflichtet werden, persönlich reifere Models bevorzugen, ist vielleicht nicht nur Zeichen von Inflation oder Ermüdung angesichts immer neuer Magersüchtiger und Androgyner. Denn vielleicht sind ausgerechnet die Fotografen, die doch angeblich die Oberfläche abbilden, dem im Marketing und Wirtschaft grassierenden Jugendwahn voraus, haben das Fehlen von Charisma längst gespürt. Dies könnte mittelfristig eine interessante Umdeutung des Stigmas „alternde Frau“ bedeuten, angeregt von jenen, die täglich mit Models zusammenarbeiten und sich auch hierfür ganz konkret Persönlichkeit und nicht schönen Schein wünschen. „Etliche unserer Fotos sehen aus wie in echter Komplizenschaft von Fotograf und Modell entstanden“, sagt Nadine Barth. „Sie erzählen Geschichten jenseits der bloß strahlenden Ikone.“

Und die Fotografinnen? „Sie unterscheiden sich nicht grundsätzlich von ihren Kollegen, aber einige zelebrieren einen sehr liebevollen Blick auf ihr Modell“, sagt Barth. Pamela Hanson zum Beispiel hat für die Hamburger Ausstellung ein Bild ihrer Mutter eingesandt – einer grauhaarigen Frau am Strand.

Schönheit und Alter – eine interessante, vielleicht irgendwann aufzunehmende Diskussion, wenn die Bevölkerung noch sichtbarer älter wird. Vielleicht werden alternde Männer und Frauen irgendwann mit demselben Maß gemessen. Modefotografen könnten hierzu eine Menge tun. Wenn man sie ließe. Nicht zufällig stammen etliche der Fotos aus Zeitschriften, „die den Künstlern viel kreative Freiheit lassen“, sagt Barth.

Dass indes Männer jeden Alters gern Bilder schöner Frauen anschauen, wird sich nicht ändern. Vielleicht hat das Foto einer schönen Frau auch etwas Therapeutisches und tatsächlich der Beruhigung aggressiver oder depressiver Männer. „Bilder können verschiedene Bedürfnisse befriedigen“, sagt Barth. „Das war schon in der Steinzeit so, als Bilder gegen den Schrecken halfen, indem man die Jagd nach dem Mammut auf dem Höhlengemälde vorwegnahm.“ Das Bild der „Traumfrau“ als Schutzschild des Mannes gegen den Schrecken der Welt? „Ja“, sagt Barth. „Vielleicht kann man es so sagen.“

PETRA SCHELLEN

Die Ausstellung „Traumfrauen“ ist vom 20. 9. bis 9. 11. 2008 in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen.