Reaktion auf russische Militäroperation

In den USA gibt es eine eindeutige Interpretation der plötzlichen Einigung über einen Raketenabwehrschild

„Der Schachzug wird die Spannungen zwischen Russland und dem Westen verstärken“

WASHINGTON taz ■ Nur das Weiße Haus tat so, als wäre das Übereinkommen mit Polen nicht als Signal an Moskau gedacht. „In keiner Weise zielen die Pläne des Präsidenten für einen Raketenschutzschild gegen Russland“, sagte Pressesprecherin Dana Perino, „tatsächlich wäre das nicht mal logisch, weil Russland das System überwältigen könnte. Das Ziel des Raketenschilds ist es, unsere europäischen Alliierten vor jeder aggressiven Bedrohung zu schützen, etwa vor Raketen aus dem Iran.“

Andere Kommentatoren ordnen den Zeitpunkt der Abmachung eindeutig ein. Das sei die „bislang stärkste Reaktion auf die russischen Militäroperation in Georgien“, wertet die New York Times. „Ein Erfolg für Präsident George W. Bush“, meint die Washington Post, auch wenn klar ist: „Der Schachzug wird die ohnehin starken Spannungen zwischen Russland und dem Westen wahrscheinlich verstärken.“

US-Verhandlungsführer Dan Rood nannte den nach monatelangem Gezerre zustande gekommenen Vertrag „stark“. Unter dem Eindruck der Georgienkrise sind die USA den Polen weiter entgegengekommen als ursprünglich beabsichtigt, indem sie Warschaus Forderung nach einer Stationierung von Luftabwehrraketen zustimmen und eine enge militärische Zusammenarbeit im Fall einer Bedrohung garantieren. Andererseits suggerierten US-Offizielle, dass Warschaus Regierung, alarmiert durch die Entwicklung in Georgien, aus der Angst vor Moskau Mut für eine engere Bindung an die USA geschöpft habe. Chefverhandler Rood sagte, die Einigung „hebt unsere Sicherheitsbeziehungen auf eine neue Ebene“.

Einstweilen spricht in Washington niemand mehr von dem Angebot der Bush-Regierung, Moskau könne als Partner an dem Raketenschild teilnehmen, der ja den ganzen europäischen Kontinent vor „Schurkenstaaten“ schützen solle.

Die US-Demokraten haben nun ein Problem: Bisher machten sie Wahlkampf mit der Ankündigung, im Kongress die ausufernden Kosten des Raketenabwehrsystems zu beschneiden. Doch angesichts der russischen Offensive in Georgien scheint es derzeit keinen Raum mehr zu geben, Kosten und Nutzen dieser umstrittenen Aufrüstung nüchtern zu diskutieren. KARIN DECKENBACH