Nummern ohne Revue

RTL sucht Erlösquellen fern des Unterhaltungsfernsehens und verkauft jetzt Handy-Prepaid-Karten an der Tanke

TV-Marken und damit Reichweiten auf andere Plattformen und Produkte zu übertragen: Daran glauben Fernsehmanager schon lange. Am heutigen Montag startet RTL eine weitere Offensive: Ab sofort bieten die Kölner in Kooperation mit Congstar, der Billigsparte der Deutschen Telekom, Handy-Prepaid-Karten an.

Die Nutzer können via Handy telefonieren und kostenlos über das RTL-Mobilportal im Internet surfen. „Der Vorteil für uns ist, dass wir damit unser Mobilportal bekannter machen“, sagt der Zuständige bei RTL-Interactive, Robert Fahle. Zum Start des Kartenverkaufs bei einer Tankstellen-, einer Supermarkt- sowie einer Drogeriekette soll eine 12 Millionen Euro teure Werbekampagne das Geschäft in Schwung bringen. Der Privatsender möchte jetzt aber „nicht nur einfach Handykarten verkaufen“, sondern auch auf einer vierten Plattform präsent sein – nach TV, Teletext und Internet. Das Bewegtbild sei ein „Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Kartenanbieter“, heißt es aus der Geschäftsführung von RTL-Interactive.

Ob und wie das funktioniert, bleibt abzuwarten. Letztes Jahr jedenfalls stellten die Kölner ihr DSL-Angebot ein, und der Verkaufssender RTL Shop wurde wegen zu schlechter Ergebnisse soeben verkauft. Dennoch werden die Privaten weiter versuchen, Einkommensquellen außerhalb ihres Kerngeschäfts zu generieren. Denn, so lautet eine Vorgabe von RTL-Group-Chef Gerhard Zeiler: „Wir wollen uns von der Werbung unabhängiger machen. Die Balance der Einkunftsquellen ist entscheidend.“

Im letzten Jahr erwirtschaftete der internationale Konzern, dem RTL angehört, einen Umsatz von 5,7 Milliarden Euro. Bereits 37 Prozent am Gesamtumsatz stammten dabei aus Geschäftsfeldern außerhalb des klassischen Werbegeschäfts. Zeiler wies besonders auf M6 in Frankreich hin: Der Sender gewann gemeinsam mit Netzanbieter Orange bis Ende 2007 eine Million Handykunden. In Deutschland ist der Anteil der Diversifikation bei RTL mit 15 Prozent noch gering, und mit dem Verkauf von RTL Shop dürfte er noch niedriger ausfallen – auch wenn mittelfristig ein Anstieg von 20 bis 25 Prozent geplant ist.

Bei ProSiebenSat.1 spielten Einnahmen außerhalb des klassischen Fernsehwerbegeschäfts ebenfalls eine große Rolle, sagt SevenOneMedia-Sprecher Andreas Kühner: „ Zurzeit stammen 15 Prozent unserer Umsätze aus diesen Segmenten. Und wir wollen weiter wachsen.“ Die Zukunft liege in der „Verlängerung“ von klassischer TV-Werbung in die digitalen Kanäle, „also der Weiterentwicklung crossmedialer, konvergenter Werbung in die digitale Welt“.

Stefan Barchfeld von NBC Universal Deutschland sieht die Bestrebungen von RTL und ProSiebenSat.1 allerdings kritisch – zumal immer mehr Zuschauer vom Medium Fernsehen abwandern würden: „Auch bei den Großen kommt nur ein kleiner Bruchteil außerhalb der klassischen Werbeeinnahmen aus Bereichen, die nichts mit klassischen TV-Inhalten zu tun haben“, sagt er. „Letztlich geht es darum, gutes Fernsehen zu machen und zu einem guten Preis zu verkaufen. Das gelingt den Großen immer weniger. Und mit dem Schlagwort Diversifizierung lenken sie davon ab.“ WILFRIED URBE