„Das sind Friedensspiele“

Die aus Georgien stammende deutsche Trampolinspringerin Anna Dogonadze ist vor ihrem Wettkampf geschockt. Sie sagt, es sei „unmöglich“, einen Krieg während Olympia zu beginnen

ANNA DOGONADZE ist Trampolinspringerin. Die in Georgien geborene 35-Jährige hat seit 1998 einen deutschen Pass. 2004 wurde sie Olympiasiegerin.

INTERVIEW ANDREAS RÜTTENAUER

taz: Frau Dogonadze, Sie sind 2004 Olympiasiegerin geworden. Was ist Ihnen vom Ruhm geblieben?

Anna Dogonadze: Ich habe damals in Bad Kreuznach gewohnt. Dort sprechen mich die Menschen noch darauf an. In Koblenz, wo ich jetzt wohne, werde ich auch manchmal gefragt, ob ich die bin, die damals Olympiasiegerin geworden ist. Der Ruhm ist weniger geworden, aber manche vergessen mich nicht.

Können Sie den Ruhm in diesem Jahr noch einmal mehren?

Jetzt erwartet jeder von mir wieder den Sieg. Aber ich bin mit meinen Rückenbeschwerden erst einmal froh, dass ich überhaupt im Finale bin. Nun möchte ich einfach durchturnen und den Wettkampf genießen.

Seit 1998 haben Sie einen deutschen Pass, sechs Jahre später sind Sie für Deutschland Olympiasiegerin geworden. Wie georgisch fühlen Sie noch?

Ich lebe in Deutschland. Das ist jetzt meine Heimat. Ich fühle mich wie eine Deutsche. Für Deutschland anzutreten, ist eine große Ehre.

Müssen Sie derzeit sehr viel an die Situation in Georgien denken?

Ich habe, als der Krieg begonnen hat, sehr viel an meine Familie gedacht, vor allem an meinen Bruder. Der ist in der Armee und fliegt Kampfhubschrauber. Gestern habe ich mit ihm telefoniert. Er hat mir gesagt, dass alles in Ordnung ist und er jetzt nach Hause fährt. Aber eine gewisse Unruhe ist immer noch da.

Wie intensiv ist Ihr Kontakt zu Georgien?

Einmal in der Woche telefoniere ich mit meiner Familie. Es gibt aber auch Wochen, da telefonieren wir jeden Tag. Wenn ich ein georgisches Gericht kochen will und vergessen habe, wie das geht, dann rufe ich meine Mutter an und frage sie.

Was haben Sie gedacht, als Sie vom Ausbruch des Kriegs gehört haben?

Für mich war das wirklich ein Schock. Während der Olympischen Spiele! Das sind doch Friedensspiele! Da darf so etwas nicht passieren. Ich weiß nicht, wer an dem Krieg schuld ist. So etwas während der Olympischen Spiele zu machen, das ist einfach unmöglich.

Haben Sie in Peking in den letzten Tagen über etwas anderes gesprochen als über Georgien?

Wir reden über alles. Vor allem über Sport. Wer hat gewonnen? Wem können wir gratulieren? Aber Georgien ist schon das Hauptthema. Abends schaue ich russisches Fernsehen und Deutsche Welle TV. Dann rufe ich in Georgien an oder in Deutschland, und wir sprechen darüber.

Haben Sie zu georgischen Sportlern im Olympiadorf Kontakt?

Ja, die haben sich auch Sorgen gemacht, was mit ihren Familien passiert. Es wohnen ja nicht alle in Tiflis. Es gibt ja auch Sportler, die aus Gori kommen oder aus Zchinwali. Für die ist es dann schon sehr schwer, sich auf den Wettkampf zu konzentrieren.

Mit wem haben Sie gesprochen?

Mit David Bedinadze, einem Ringer, zum Beispiel. Ihm geht es wie uns allen. Er war auch auf vielen Lehrgängen, war die ganze Zeit unterwegs. Deshalb kann er zur Situation nicht viel sagen. Er ist jedoch wie wir alle glücklich, dass die Waffen ruhen, dass ein Friedensvertrag unterschrieben ist. Wir sind heilfroh, dass endlich der Sport wieder im Mittelpunkt steht.

Wie wichtig sind die versöhnlichen Gesten von russischen und georgischen Sportlern?

Politik ist Politik. Aber wir Sportler sind alle Freunde. Wegen dieses Krieges in Georgien werden wir uns nicht verlieren. Wir bleiben Freunde.