Cöllner entsteigen ihrem Grab

Bei Ausgrabungen am Petriplatz finden Archäologen Hinweise auf eine riesige Grabstätte – und die Reste einer Schule. Ausschreibung für Platzgestaltung 2009

Die Archäologen freuen sich wahnsinnig: Sie haben einen Holzsplitter eines Sarges gefunden – im Erdreich am Petriplatz. „Normalerweise finden wir nur Verfärbungen in den Erdschichten, die auf Gräber schließen lassen“, sagt die Archäologin Claudia Mehlisch. Die Leiterin der Ausgrabung hat mit ihrem zwölfköpfigen Team bisher rund 2.000 Gräber aus dem 11. Jahrhundert auf dem Gelände südlich des Schlossplatzes entdeckt. „Es liegen aber immer rund sieben bis zwölf echte Cöllner in einer Grabstelle“, so die Archäologin am Montag bei der Vorstellung des neuen Konzepts für den Petriplatz. Cölln war eine der beiden Entstehungsorte der mittelalterlichen Stadt Berlin-Cölln.

Die Ausgrabungsexperten entdeckten die Grabstätten innerhalb der freigelegten Grundrisse der historischen Petrikirche und einem ehemals angrenzenden Friedhof neben der Gertraudenstraße. Die Gräber würden nun vermessen, gezeichnet und genau beschrieben, erklärt Mehlisch. „Mit DNA-Analysen kann man dann das Geschlecht und das Sterbealter der Individuen ermitteln.“ Sehr oft seien auch Kinder in den Gräbern.

Neben der Kirche entdeckten die Archäologen außerdem das Fundament einer Lateinschule. Dessen Keller und Erdgeschoss sollen rekonstruiert werden und als Ausstellungsfläche dienen, plant Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Die Archäologen fanden um die historische Schule zahlreiche Alltagsgegenstände der jungen Cöllner. Darunter sind bemalte Teller, Kinderpfeifen, Murmeln oder Halsschmuck. Diese Fundstücke sollen am 2. Oktober im Palais am Festungsgraben ausgestellt werden, so Ausgraberin Mehlisch.

Auch Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Charlottenburg, freut sich über die neuen Funde: „Das ist eine hervorragende Sache. Eine Grabung, die ins Herz der Berliner Geschichte hineingeht.“

Wann die Urberliner die erste Petrikirche bauten, ist allerdings auch nach den Funden ungeklärt. Archäologin Mehlisch hat von der Kirche „mindestens drei Grundrisse“ ausgebuddelt. „Wir nehmen aber an, dass sie schon vor 1237 hier gestanden hat“, schätzt sie. Der von einem starken Unwetter einstürzende Kirchturm zerstörte 1730 große Teile der Kirche. Noch im selben Jahr begann ein Wiederaufbau. Die neue Petrikirche brannte knapp 80 Jahre später ab. Im Jahr 1847 legte man dann den Grundstein für einen erneuten Aufbau. „Die Überreste dieses Baus sprengte die DDR-Regierung 1964 weg“, erklärt Mehlisch.

Für die Neugestaltung des Platzes wird Anfang 2009 ein Wettbewerb ausgeschrieben, sagte Senatsbaudirektorin Lüscher. Mit einem „archäologischen Fenster“ sollten die Fundorte für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. „Es sollen Vorschläge für einen Neubau gemacht werden, der den Zugang zu den historischen Stätten ermöglicht.“

Auch am Schlossplatz buddeln Archäologen noch. Das Fundament des Dominikanerklosters, das einst auf dem Platz stand, soll beschrieben und die Freilegung dokumentiert werden. Anschließend müsse man diese Fundstätte aber wieder zuschütten, sagt Lüscher. „Das ist die beste Konservierung.“ Nach Ende der Ausgrabungen könnten dann die Bauzauntafeln, die über das Kloster informieren, im Märkischen Museum aufgestellt werden. JENNIFER LEPIES