„Ich werde nicht Militärbischof“

Bremens oberster Protestant Renke Brahms wird Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland – und damit zuständig für die Militärseelsorge. Dass diese weniger sparen muss als die Friedensarbeit, sein ein „gewisser Widerspruch“

Pastor RENKE BRAHMS, 52, Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche, wird am 1. Oktober Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland Foto: BEK / Roland Schiffler

INTERVIEW BENNO SCHIRRMEISTER

taz: Herr Brahms, der Vorwurf, Ihr neues Amt sei eine Mogelpackung …

Renke Brahms: … trifft überhaupt nicht zu. Das ist einfach unwahr.

Dass Sie als designierter Friedensbeauftragter gegenüber dem Evangelischen Pressedienst die Auslandseinsätze der Bundeswehr als Schwerpunkt ihrer Arbeit bezeichnen, wäre kein Beleg dafür?

Nein. Ich habe die Seelsorge in der Bundeswehr auch nicht als meinen Schwerpunkt bezeichnet. Das ist schlicht und einfach Teil einer Bestandsaufnahme der Aufgaben, die ich mit diesem neuen Amt auf mich zukommen sehe, nicht mehr und nicht weniger. Es gibt die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Und sie bedeuten große seelsorgerliche Herausforderungen – genauso wie die Fragen nach der Zukunft des Zivildienstes und der Wehrpflicht.

Aber es ist doch problematisch, wenn mit dem Amt die Kriegsdienstverweigerer- und Militär-Seelsorge in Eins fallen!

Das ist etwas komplizierter. Das Amt ist im Rahmen einer Neustrukturierung der kirchlichen Friedensarbeit geschaffen worden. Dazu gehört auch die Seelsorge für Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende, aber auch der Beirat für die Seelsorge in der Bundeswehr. Diese beiden Funktionen gab es auch vorher schon, und da waren sie auch schon in einer Hand. Neu ist dagegen, dass die grundsätzliche Zuständigkeit für Friedensfragen sich in einer Beauftragung niederschlägt. Ich werde aber nicht Militärbischof. Das ist eine ganz andere Art von Aufgabe. Ich stehe vielmehr dafür, den Vorrang der Prävention vor der Intervention und des Zivilen vor dem Militärischen zu betonen und immer wieder anzumahnen. Insgesamt soll die Neuorganisation die Friedensarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland profilieren und stärken.

Die Arbeitsstelle Kriegsdienstverweigerung von Bremen nach Bonn umzusiedeln und ihren Etat zu halbieren, stärkt die Friedensarbeit?

Nein, natürlich nicht. Die Evangelische Kirche musste in den letzten Jahren in allen Bereichen sparen, und es stimmt, dass die Arbeitsstelle Kriegsdienstverweigerung stark unter dieser Reorganisation zu leiden hatte. Aber es lag und liegt nahe, sie mit der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, mit der sie friedensethisch sehr viel gemeinsam hat, in einer Arbeitsstelle an einem Ort zu verbinden. Das nützt beiden Organisationen, bei denen auch die Zuständigkeit für die evangelischen Freiwilligendienste angesiedelt wurde. Hierfür wurden mehr als 100.000 Euro pro Jahr zusätzlich zur Verfügung gestellt. Dies alles halte ich für sinnvoll. Und es erleichtert es auch, der Friedensarbeit eine stärkere Stimme zu verliehen.

Dass die Militärseelsorge weniger sparen muss als die Friedensarbeit klingt trotzdem nicht nach Stärkung …

Das ist ein gewisser Widerspruch. Und den anzusprechen wird immer auch meine Aufgabe sein. Denn wenn man der zivilen Konfliktlösung den Vorrang gibt, und, wie es die Evangelische Kirche in Deutschland in der Denkschrift ja tut, Gerechtigkeit und Frieden miteinander verzahnt – „kein Friede ohne Gerechtigkeit“ heißt es in der Denkschrift – dann muss man sich auch fragen: Wie viel Geld ist dafür eigentlich vorhanden, wie wird Versöhnungsarbeit geleistet und müsste man da nicht in diese Frage viel mehr investieren? Klar ist jedenfalls: Das kann und darf nicht weiter heruntergefahren werden.

Schriftführer ist ja ein besonders moderierendes Amt. War das der Grund, Sie mit dem neuen Posten zu betrauen?

Ich weiß nicht, ob das eine Rolle gespielt hat und ob mich das Amt des Schriftführers dafür besonders prädestiniert – das habe ich ja auch gerade erst seit einem Jahr. Die evangelische Kirche hat ja eben nicht das verbindliche Lehramt wie die katholische. Dass immer die Kommunikation, die Kraft der Argumente zählt und nicht einfach die Beschlüsse von oben, gehört für mich zum protestantischen Grundverständnis.

Allerdings hat die Evangelische Kirche in Bremen zuletzt kein besonders friedliebendes Bild abgegeben: Da ist der erbitterte Streit um die Kirchenmusik, und da ist die Aufregung um das Kanzelverbot der Martini-Gemeinde für Frauen. Wünschen Sie sich da nicht manchmal bischöfliche Befugnisse?

Dass es bei uns etwas basisdemokratischer zugeht und dadurch mitunter auch chaotischer wirkt – das kennt man doch von anderen Bereichen auch. Es gibt eben sehr viele unterschiedliche Personen und Positionen. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht klar positionieren könnte: Im Fall Martini habe ich das gemacht – und ich bin weiterhin im Gespräch mit der Gemeinde. Diese Notwendigkeit, miteinander trotz gegensätzlicher Standpunkte zu kommunizieren, das hat, finde ich, auch etwas mit dem Amt des Friedensbeauftragten zu tun: Man muss die unterschiedlichen Positionen miteinander ins Gespräch bringen und bei Konflikten auf eine Lösung abzielen, die allen oder jedenfalls möglichst vielen nützt.

Das ist schwer, gerade in einem Konflikt, wo die eine Seite für sich beansprucht, besonders bibeltreu zu sein. Heißt es nicht in der Bibel „Das Weib schweige in der Gemeinde“?

Ja, das steht in der Bibel an zwei Stellen in den Paulus-Briefen. Aber die stehen wiederum im Widerspruch zu anderen Passagen des Neuen Testaments, zu dem, wie sich Jesus gegenüber den Frauen verhalten hat und zu der Rolle, die Frauen in den frühchristlichen Gemeinden gespielt haben. Wenn man das berücksichtigt, wird die Aussage dieser Textstellen zweifelhaft – vielleicht gab es in der betreffenden Gemeinde ja eine bestimmte, besonders redselige Frau, auf die sich das bezogen hat. Jedenfalls lässt sich die Aussage dann nicht mehr verallgemeinern. Das heißt für mich, die Bibel ernst nehmen – nicht einzelne Textstellen herausklauben und sie für verbindlich erklären, sondern sie in den Zusammenhang stellen. Ich nehme die Bibel ernst, ich nehme die Bibel sogar durchaus beim Wort – aber eben nicht wie ein Kochrezept.