KOMMENTAR DES TAGES
: Höherschnellerjünger

Höher, schneller, weiter – so wurde das urige olympische Motto „altius, citius, fortius“ fälschlich übersetzt. Um „jünger“ geht es in beiden Varianten nicht. Doch sind Olympische Spiele mitunter bessere Weltjugendspiele. Das Ziel der olympischen Bewegung war von jeher, die Jugend der Welt zu erziehen. In den Sportinternaten dieser Welt scheint dies wahrlich praktiziert zu werden.

Seit Tagen keimt die Debatte über das Alter der chinesischen Turnerinnen, doch auch die Konkurrenz glänzt nur selten in wirklich fraulichen Körpern. Der Vorwurf, die kindlichen Turnerinnen werden in zu jungen Jahren zu hart trainiert, gar überfordert, besteht schon seit Jahrzehnten. Damals kamen die schlimmen Bilder des Kinderdrills aus Osteuropa.

Auch in anderen Sportarten werden die Athleten so früh wie möglich herangezüchtet und auf Höchstleistung getrimmt. Wunderschwimmer Michael Phelps ist gerade mal 23, Wundersprinter Usain Bolt 21 Jahre alt. Unvorstellbar, wie sich deren Leistungen noch entwickeln könnten, sagt man Sportlern die höchste Leistungsfähigkeit doch eher mit Ende 20 nach. Das Problem bei den jungen Athleten ist, dass diese in der Regel nicht selbst darüber entscheiden, ab wann sie in welchem Umfang trainieren. Das kann nicht in ihrem Sinne sein, vor allem, wenn sie für ihre sportlichen Mühen nicht langfristig finanziell entschädigt werden. In vielen Sportarten droht mit dem Ende der Karriere auch das Ende des gut behüteten Daseins. Was bleibt, sind mitunter geschundene Körper, die sich irgendwann ergeben, und Sportler, die mit chronischen Langzeitwehwehchen leben müssen. Das gilt bei weitem nicht für alle, aber doch für einige. Und je früher die Karrieren beginnen, desto früher müssen sie beendet werden, um danach noch auf ein normales körperliches Level regeniert werden zu können. Ein Mindestalter bei Wettkämpfen, wie es im Turnen eingeführt wurde, kann da nur Teil einer Lösung sein. Das Training kann man weder reglementieren noch verbieten, geschweige denn kontrollieren. So lohnt sich ein Blick auf die Gruppe der wahren Exoten bei Olympia: die französische Radsportlerin Jeannie Longo-Ciprelli, 49, der ägyptische Tischtennisspieler Adel Massaad, 44, oder die deutsche Turnerin Oksana Chusovitina, mit 33 Jahren älteste Turn-Medaillengewinnerin aller Zeiten.

Angeführt werden sie vom japanischen Reiter Horishi Hoketsu, mit 67 Jahren ältester Olympionike in Peking. Er hat seinen 35. Platz in der Dressur als Erfolg gefeiert: Es waren seine ersten Spiele. JOHN HENNIG