barbaren in beijing
: Ein lohnendes Geschäft

Die propagandistische Macht der wunderschönen Olympiabilder hat den kritischen Verstand vieler Beobachter ausgeschaltet

Sie haben sich so unendlich bemüht, gute Gastgeber zu sein. Sie wollten die Welt überzeugen. Vor allem den Westen. Es ist ihnen nach zweieinhalb Wochen Olympia auch irgendwie gelungen. Selbst amerikanische Kommentatoren sprechen jetzt von tollen Erlebnissen, nur das Motto „One World One Dream“ halten sie noch für „shmaltzy“ – wie ein AP-Korrespondent schreibt. Anfangs wurde ja viel gemosert über militaristische Strammsteher und marschierende Kolonnen, über Zäune und Barrieren, Verbote und die Stinkeluft. Heute wird meistens über faszinierende Momente geschrieben. Die Nachlese wird komischerweise mit großer Nachsicht betrieben.

Dabei hat sich im Erscheinungsbild bis gestern nichts geändert. Man könnte sich immer noch über viele Dinge ereifern, die in den Augen eines Westjournalisten für ein streng autoritäres System stehen. Das passiert aber, wenn man sich unter Kollegen umhört und deren Schlussbetrachtungen liest, nicht mehr. Selbst die alten angelsächsischen Wadenbeißer entschuldigen sich bei IOC-Präsident Jacques Rogge, wenn sie mit „dieser alten Geschichte, den Menschenrechten in China“, ankommen. Der Tibetkonflikt? Erscheint weit weg. Das Demoverbot? Ja, schon, aber …

Der Blick auf die Spiele hat sich offenbar verändert. Es ist das passiert, worauf die Partei gehofft hat: Die propagandistische Macht der wunderschönen Olympiabilder hat den kritischen Verstand vieler Beobachter ausgeschaltet, jedenfalls teilweise. Olympia, diese Weiheveranstaltung, hat Kritiker milde werden lassen.

Sicherlich ist auch ein Gewöhnungseffekt eingetreten. Vorurteile sind hier und da an der Realität zerschellt. Reporter haben sehen können, wie komplex dieses Land ist, das kommunistisch genannt wird, obwohl es an jeder Ecke Bananen gibt und McDonald’s des Chinesen Lieblingsrestaurant zu werden scheint. China ist nicht einfach zu verstehen. Man darf es sich mit diesem Moloch nicht zu leicht machen. Die Botschaft ist bei vielen Schreibern angekommen: Mit westlicher Arroganz kommt man nicht weit. Und es ist richtig, was in den Büchern über China steht: dass sich für jede Behauptung auch das genaue Gegenteil findet.

Klar, es ist extrem befremdlich, wenn vieles gesteuert und überorganisiert ist, wenn der wirklich freie chinesische Bürger nur im Ideal eines Westlers existiert. Aber ist es nicht offenkundig, wie sehr dieses Land nach Westen strebt? Es liefert sich ja nachgerade der Konsumwelt aus. Unsere chinesische Gastgeberin verschlingt die Cosmopolitan. Adidas-, Kappa- oder Nike-Klamotten – echt oder unecht – werden mit dem Gestus persönlicher Reife getragen. Olympia mit seiner Markendominanz kam da gerade recht.

Es ist höchst zweifelhaft, ob die Spiele, wie IOC-Chef Rogge behauptet, die Menschenrechte in China gestärkt haben. Was der schrecklich netten olympischen Familie aber tatsächlich gelungen ist: Sie hat die Präsenz von diversen Großsponsoren gestärkt. Es war ein gutes Geschäft. Hierbei haben sich China und der Westen blendend verstanden.

MARKUS VÖLKER