Norddeutscher Frosch

Gib Botterbrood!

Wer kennt sie nicht, die Jever-Werbung? Zwei Krabbenfischer sitzen am Deich, ein Tourist fragt höflich nach dem Weg: „Entschuldigen Sie bitte, wo ist der Strand?“ Die Alten aber antworten: nichts. Stumm zeigen sie mit dem Daumen „achtern Diek“. Das muss reichen, denn wir Norddeutschen sind wortkarg und kühl.

Noch heute in der Hauptstadt, im Kreise gebildeter Menschen, gelingt es mir nicht immer, mich adäquat auszudrücken. Denn schon am Essenstisch to Huus hieß es bei uns: „Mudder, gib Botterbrood!“, und Mutti darauf: „Wes ne so verfreten, Gör!“ Das ist nicht unfreundlich gemeint, wir sind halt Bauern. Klar?

In Berlin gibt es natürlich auch Fischköppe, bei Froschrad in der Wiener Straße arbeitet einer in der Werkstatt. Micki ist sein Name. Letztens ließ ich ich bei ihm eine Kleinigkeit reparieren. Als ich mein Rad wieder abholte, funktionstüchtig jetzt, ließ Micki den Auftragszettel unter den Tisch fallen und sagte: „Abhauen.“ Wie bitte?

Obwohl durchaus an einen ruppigen Umgangston gewöhnt, zeigte ich mich doch etwas irritiert. „Wat denn anners noch? Zack, zack“. Dat langt.

Ich verstand. Micki wollte mir einen Gefallen tun, ich brauchte nicht zu zahlen. Er hätte auch sagen können: „Bitte schön, gern geschehen“, und ich hätte umständlich gedankt, wie es unter Süddeutschen vielleicht so üblich ist. Aber er sagte „Abhauen“, und damit war das Maximum an Herzlichkeit erreicht, die die norddeutsche Seele ausdrücken kann. „Jou“, sagte ich, Micki grinste kurz und breit, hielt den Daumen nach oben und sagte ebenfalls: „Jou.“ Ich wusste: In diesem Moment hatten wir beide uns vor Freundlichkeit regelrecht überschlagen.

SASKIA VOGEL