Betrugsverdacht auf der Anzeigenseite

Ein Abonnent des „Weser Kurier“ stieß auf Unklarheiten bei einer Gewinnspiel-Anzeige und informierte die Verbraucherzentrale. Die spricht von einer „neuen Qualität des Betrugs“. Die Zeitung nimmt die Beschwerden ernst

Eine ganzseitige Vierfarbanzeige auf der letzten Seite im Weser Kurier sorgte am gestrigen Dienstag für Aufregung. „Gewinnen Sie ein sorgenfreies Leben!“, hieß es dort. Eine Sofort-Rente über 1.111 Euro monatlich, und das die ersten fünf Jahre steuerfrei, oder 51.500 Euro in bar winken. Eine Großmutter mit ihrer Enkeltochter sind mittig in der Anzeige platziert. Unter einer gebührenfreien Telefonnummer konnten die Leser an dem Gewinnspiel teilnehmen, mussten allerdings erst das Lösungwort „Weser“ herausfinden.

Einen Weser Kurier-Abonnenten machte diese Anzeige stutzig. Er suchte nach der angegebenen Firma, die sich Verbraucher-Service-Gesellschaft Hamburg mbH nennt, im Internet und stieß auf Ungereimtheiten.

Er rief bei der Verbraucherzentrale in Bremen an, die sich der Sache annahm und einen Testanruf machte. Die Call-Center-Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung hatte einen slawischen Akzent und war nach Ansicht des Rechtsanwalts des Verbraucherinstituts, Lovis Wambach, gut geschult. Sie nahm die Kontaktdaten auf und bat um die Kontonummer. „Wir wurden vom ursprünglichen Gewinnanruf schnell übergeleitet. Wir sollten weitere Lose, mit denen wir noch viel mehr gewinnen könnten, bestellen“, berichtet Wambach. Als man die vorher ausgedachte Kontoverbindung durchgab, bekam man in der Verbraucherzentrale die Antwort, dass es die Kontodaten nicht gäbe. Die Mitarbeiterin hatte die Daten in ein Verzeichnis eingegeben, mit dem sie die Echtheit der Daten überprüfen konnte.

Die Verbraucherzentrale nennt es eine „neue Qualität des Betrugs“. Zuvor hätte es derartige Groß-Anzeigen nur in Anzeigenblättern gegeben und auch der Trick mit der kostenlosen Rufnummer wäre neu. Vorher wurden die Opfer angerufen oder mussten teure Telefonnummern wählen.

„Wir nehmen solche Beschwerden ernst“, sagt Thomas Werner von der Anzeigenabteilung des Weser Kurier. Es handele sich bei der gekennzeichneten Anzeige aber um eine Anzeige wie jede andere auch. „Ich verlasse mich auf die Seriösität des Anzeigenkunden, der mir diese glaubhaft versicherte und sofort Stellung zu den Anrufen bezog“, sagt Werner. Laut Anzeigenkunde handele es sich demnach um einen Fehler im Call-Center. Der Anzeigenkunde habe ihm versichert, Anweisungen, irreführende Abfragen zu tätigen, hätte er dem Call-Center nicht gegeben, erzählt Werner.

Der Abonnent des Weser Kurier ist über die Anzeige wütend. „Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite über Datenmissbrauch berichtet und angeklagt wird. Und auf der anderen Seite solche Anzeigen erscheinen“, sagt er. JULIAN KÖNIG