Verklage deine Hochschule

Derzeit verschicken die Universitäten ihre Zulassungsbescheide: Zeit für viele Studenten, juristisch dagegen vorzugehen, oft gleich mehrfach. Experten rechnen mit mehr Studienplatzklagen denn je

VON CLAAS RELOTIUS

Die Telefone im Büro des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) der Uni Hamburg klingeln dieser Tage ständig. Wie jedes Jahr im September wählen Studienanwärter gleich mehrmals am Tag die Nummer der akademischen Rechts-und Sozialberatungsstelle, um sich über Einspruchsmöglichkeiten gegen das hiesige Auswahlverfahren schlau zu machen. Die Aufregung ist verständlich: Morgen werden die Zulassungsbescheide verschickt.

Die Hamburger Uni-Leitung hatte bereits vor einigen Wochen die Zahl von insgesamt 30.238 Studienbewerbern vermeldet, rund 7.000 mehr als noch zum vergangenen Wintersemester. Für viele Bewerber sind dies laut Asta schon jetzt alarmierende Zahlen, zumal die Universität ohnehin nur 4.500 Plätze zur Verfügung stellt. Auf der Homepage des Asta steht unter dem Namen „Studienplatzbeschaffung 2008“ deshalb längst ein Leitfaden zur Studienplatzklage als Download bereit. Wer im Bewerbungsverfahren den Kürzeren zieht, dem wird geraten, bei der Universität zunächst Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid einzulegen und zeitgleich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht zu stellen. Wird der Widerspruch abgewiesen, muss schlussendlich geklagt werden.

Die Erfolgsaussichten sind dabei laut Hochschulrechtler Dirk Naumann zu Grünberg in der Regel alles andere als schlecht. „Eine Klage zielt darauf ab, nachzuweisen, dass eine Hochschule ihre Kapazitäten für einzelne Fächer nicht vollständig ausgeschöpft hat oder das Vergabeverfahren fehlerhaft war“, sagt der Experte. Sei dies der Fall, müssten die Kläger nachträglich zugelassen werden. Weder Wartezeit noch Abiturnote spielten dann noch eine Rolle.

Insgesamt rund 7.000 Studienplatz-Klagen hat Dirk Naumann zu Grünberg bislang angestrengt. In diesem Jahr, so rechnet er, werden deutlich mehr als sonst dazukommen. „Der Trend ist ganz klar, dass die Zahl der Klagen von Studienanfängern bundesweit zunimmt.“

Vor allem jene Bewerber, die sich schon seit mehreren Jahren vergeblich um einen Studienplatz bemühen und mit immer neuen Wartezeit-Hürden vertröstet werden, würden ihr Glück mittlerweile auf gerichtlichem Wege versuchen, sagt Naumann. Längst habe sich herumgesprochen, dass viele Universitäten bei der Umstellung auf Bachelor-Studiengänge die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze eher vorsichtig als großzügig kalkuliert hätten. „Der Spielraum für weitere Zulassungen“ und damit auch die Erfolgsaussichten einer Klage hält der Anwalt deshalb für „besonders groß“

Um auf Nummer sicher zu gehen, würden viele Leute heute sogar mehrere Hochschulen gleichzeitig verklagen. Dies ist jedoch auch mit hohem Risiko verbunden: Denn wer vor Gericht verliert, hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Sollte ein Gericht bei der Prüfung der Kapazitäten keine weiteren freien Studienplätze entdecken, wird die Klage abgewiesen. In diesem Fall könnten auf unterlegende Kläger gegen mehrere Hochschulen Summen in Höhe von mehreren tausend Euro zukommen. Da dieses Prinzip für beide Seiten gilt, scheuen jedoch auch viele Hochschulen eine gerichtliche Auseinandersetzung. Deshalb ist nach Einschätzung von Anwalt Naumann oftmals schon ein formaler Widerspruch gegen das Auswahlverfahren wirksam. Doch auch wer erfolgreich klagt, hat noch keine Garantie, dass er den angestrebten Platz auch wirklich erhält. Da die Zahl der Kläger die Zahl der eingeklagten Plätze mittlerweile um ein Vielfaches übersteigt, wird in der Regel gelost. Der Zufall entscheidet dann in allerletzter Instanz über Zulassung oder Ablehnung.