„Wir müssen junge Lehrer wieder zurückholen“

Mecklenburg-Vorpommern bildet zwar viele Lehrer aus. Doch viele Junglehrer verlassen das Land gen Westen. Kultusminister Henry Tesch (CDU) will bessere Länderabsprachen

HENRY TESCH (CDU), geboren 1962 in Schwerin, ist seit 2006 Kultusminister von Mecklenburg-Vorpommern. Tesch unterrichtete zuvor Geschichte und Deutsch. Er war zuletzt Schulleiter des Carolinum-Gymnasiums in Neustrelitz.

taz: Herr Tesch, wie werben Sie einen Junglehrer aus Baden-Württemberg für Mecklenburg-Vorpommern?

Henry Tesch: Ich würde sagen, kommen Sie einfach her und schauen Sie sich um. Sie werden eine hohe Motivation bei vielen Kollegen finden und eine gute Bildungsqualität, die besser ist, als Sie vielleicht gelesen haben.

In der Realität läuft es genau andersherum: Fast 150 Kollegen sind in den letzten 14 Jahren nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen, doppelt so viele haben das Land verlassen. Beunruhigt Sie das?

Im Moment beunruhigt mich das überhaupt noch nicht. Denn das sind rund 20 Lehrer pro Jahr, also eine Quote von knapp 0,2 Prozent. Erst in ein paar Jahren wird das eine Rolle spielen.

Zwei Drittel der Lehrer arbeiten als Angestellte in Teilzeit und verdienen entsprechend. Was bietet Mecklenburg-Vorpommern Berufseinsteigern?

Wir haben trotz zurückgehender Schülerzahlen keinen Lehrer entlassen und den entstandenen Überhang mit Teilzeitvereinbarungen ausgeglichen. Außerdem haben wir trotz des demografischen Wandels nach wie vor einen Einstellungskorridor von 170 Stellen. Und im Grundschulbereich und an unseren Förderschulen herrscht mittlerweile wieder Vollzeitbeschäftigung.

Dennoch können Sie Stellen gerade für Förderschullehrer und an Grundschulen nicht besetzen. Wie können Absolventen im Land gehalten werden?

Man muss sich dieser Frage in der Tat offensiv stellen. Viele Lehramtsstudierende absolvieren gern ihr Referendariat in Mecklenburg-Vorpommern, weil die Ausbildung gut ist und das Land viel Lebensqualität bietet. Das Problem ist aber: Viele wissen gar nicht, dass es diesen Einstellungskorridor von 170 Stellen gibt.

Die sind dann weg.

Ja, sie wandern aus. Die Frage ist, ob es uns gelingt, gerade junge Lehrer wieder ins Land zu holen.

Hessen und Hamburg bieten Verbeamtung, Bayern lockt mit höheren Einstiegsgehältern, was hat Mecklenburg-Vorpommern dem entgegenzusetzen?

Die Frage der Verbeamtung ist in der Tat ein treibender Keil. Ich gebe zu, dass wir uns in den nächsten Jahren vor allem für Grundschulen, Förderschulen und Berufsschulen etwas einfallen lassen müssen.

Was kann sich ein armes Land da einfallen lassen?

Wir haben die Lehramtsausbildung reformiert, und ein Zentrum für Lehrerbildung in Rostock koordiniert entsprechend die ersten Studierenden. Und im Unterschied zu den anderen Bundesländern bleibt Mecklenburg-Vorpommern beim ersten Staatsexamen für den Lehrerberuf. Unser Motto heißt: Studieren mit Meer-Wert. Wir sind ein Land ohne Studiengebühren und werben damit. Zumindest für dieses Jahr haben wir exorbitante Bewerberzahlen an unseren Hochschulen.

Was nützt es, wenn die Ausbildung Spitze ist, die jungen Lehrer aber dann doch auswandern. Sind Sie sauer auf Ihre Kollegen aus den reichen Bundesländern, die sich Ausbildungskosten sparen und sich die besten Absolventen einfach einkaufen?

Andere Bundesländer haben da noch viel größere Probleme als wir im hohen Norden. Einige Kultusminister sind nicht sonderlich erfreut, man wünscht sich da ein besser abgestimmtes Verhalten. Auch wir haben in den vergangenen Jahren sehr viele Lehramtsstudenten und Referendare ausgebildet, mehr, als wir brauchten. Künftig werden wir das ein wenig drosseln und mehr nach eigenem Bedarf ausbilden.

Bundesweit wird in den kommenden Jahren aber ein Lehrermangel vorausgesagt, ist es da richtig, wenn jedes Land für sich allein rechnet?

Ich glaube, dass Thema Lehrermangel ist brisant, aber die Übereinkünfte zwischen den Ländern sind noch nicht so weit gediehen. Wir müssen sehen, ob es eine konzertierte Aktion geben kann.

Werden Sie das Thema Lehrermangel und -ausbildung beim Bildungsgipfel auf die Tagesordnung setzen?

Ich denke generell, dass sich die Bundesländer untereinander mehr abstimmen sollten. So bin ich dafür, dass wir bei Prüfungen und in der Lehrerausbildung einheitliche Standards haben. Das ist im Sinne eines konstruktiven Föderalismus, an den ich glaube. Ich könnte mir auch ein bundesweit vergleichbares Abitur nach 12 Jahren vorstellen.

Sie wollen ein Zentralabitur für ganz Deutschland?

Warum nicht ein gemeinsames Abitur oder ein Länderabitur? Wir sind hier in Mecklenburg-Vorpommern bereit, uns an den Besten zu messen.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN