Die neuen Herrinnen des Rings

Dass Katharina Wagner (30) und Eva Wagner-Pasquier (63) vom Stiftungsrat der Richard-Wagner-Festspiele für die kommenden sieben Jahre die Leitung des Festivals übertragen bekamen, ist keine Überraschung. Allgemein war damit gerechnet worden. Dass sie sich überhaupt zusammen beworben haben, ist dagegen selbst in der an verrückten Wendungen reichen Geschichte der Familie Wagner ungewöhnlich.

Eva war viele Jahre die Assistentin ihres nun abgetretenen Vaters Wolfgang (89). Sie half ihm unter anderem den sogenannten Jahrhundertring des Franzosen Patrice Chéreau auf die Bühne zu bringen. Das war 1976. Dann verkrachten sie sich. Es ging um Wolfgangs Scheidung und neuerliche Heirat. 30 Jahre hielt sich Eva danach von Bayreuth fern. Katharina ist das Kind dieser zweiten Ehe.

Tatsächlich vertrugen sich Katharina und Eva nicht immer so gut wie heute. Zunächst hatte sich Eva zusammen mit ihrer Cousine Nike beworben, der Intellektuellen in der Familie – eine Allianz, die aber nicht lange hielt. Im vergangenen Jahr verbündete sich Eva dann mit Katharina.

Der Wettbewerb von Katharina und Eva auf der einen und Nike auf der anderen Seite war auch eine Reprise der Konkurrenz ihrer Väter: Zusammen hatten Wieland und Wolfgang 1951 die Leitung der im Dritten Reich schwer kompromittierten Festspiele übernommen. Wieland, der begabte Regisseur, erneuerte die Wagner-Ästhetik gegen den Widerstand der alten Wagnerianer. Nach Wielands Tod 1966 wurde Nike zusammen mit ihrer Familie aus Haus Wahnfried vor die Tür gesetzt. Wolfgang übernahm die Führung – assistiert von Eva.

Was wird sich inhaltlich ändern? Katharina wird der schöne Satz „Bayreuth hat sich immer auch durch eine gewisse Provinzialität ausgezeichnet“ zugeschrieben, den man genau deshalb gegen sie wenden kann, weil er so wahr ist. Denn das ist Katharina eben auch: nicht nur Urenkelin des Meisters, auch bodenständiges fränkisches Landei. Passend zu einem Festival, das sich wahrscheinlich nur in der bayerischen Provinz so überzeugend jahrzehntelang zum Zentrum der Welt erklären konnte. So oder so wird mit Katharina und Eva jenes Duo weiterarbeiten, das auch bisher schon die Festspiele gemanagt hatte.

Etwas anderes an der Entscheidung vom Montag ist viel wichtiger. Die Familie Wagner ist entmachtet. Dass Wolfgang seinen Rücktritt höchstwahrscheinlich mit der Bedingung verband, seine Töchter müssten nachfolgen, war der letzte Akt souveräner Familienmacht in Bayreuth. Der neue Vertrag ist auf sieben Jahre begrenzt. Wer dann kommt, entscheidet nicht mehr der Patriarch, sondern der Stiftungsrat. TOBIAS RAPP