Alle gegen Emig

Im Prozess gegen seinen früheren Sportchef belastet HR-Intendant Helmut Reitze den Angeklagten. Seine Aussage wirft aber auch neue Fragen auf

AUS FRANKFURT/MAIN DANIEL BOUHS

Ein ARD-Intendant im Zeugenstand: Helmut Reitze, Chef des Hessischen Rundfunks (HR), hat sich gestern vor dem Frankfurter Landgericht im Prozess gegen den Ex-Sportchef seines Senders, Jürgen Emig, zu Wort melden müssen. Und ihn schwer belastet. Emig habe „einen beachtlichen Aufwand betrieben, um Unterlagen vorhalten zu können, nach denen alles in Ordnung sei“. Reitze warf Emig zudem ein „ziemlich beachtliches Ausmaß an Verschleierung und Vertuschung“ vor.

Emig muss sich dafür verantworten, dass er dem HR über die mit seiner Frau gegründete Agentur SMP nicht nur Drittmittel für Sportübertragungen organisierte, sondern Provisionen von teils über 50 Prozent eingestrichen haben soll.

Nun dreht sich der Prozess nicht mehr allein um die Frage, was Emig falsch gemacht hat. Das Gericht interessiert sich längst dafür, wie viel der HR von Emigs Aktivitäten wusste. Und an dieser Stelle widersprechen sich die Aussagen fundamental. Denn während Reitze gestern sagte, seine Revision habe ihm stets mitgeteilt, ein Zusammenhang zwischen der SMP und Emig sei nicht festzustellen, berichtete der mitangeklagte Kumpel Emigs und Ex-SMP-Geschäftsführer Harald Frahm im August Gegenteiliges. Er habe in einem Treffen mit dem Leiter der Revisionsabteilung „rübergebracht, dass Emig für alle Geschäfte der Entscheidungsträger war“.

Der HR-Revisionschef soll erst in gut zwei Wochen aussagen – und für Klarheit sorgen. Seit Reitzes Besuch vor Gericht steht aber zumindest fest: Der Sender hat gebilligt, dass sein Sportchef nicht nur als Journalist die Wettkampf-Berichterstattung seines Senders verantwortete, sondern gleichzeitig mit Sponsoren um Zuschüsse verhandelte.

Reitze sagte, er habe nach seinem Wechsel vom ZDF zum HR im Jahr 2003 den Eindruck gewonnen, „dass es eine wesentliche Aufgabe Emigs war, Akquise zu betreiben“. Auf die Idee, dass das eine Interessenkollision war, sei er aber nicht gekommen. Dieses „System HR“ soll Emig nach eigener Aussage aber erst zu seinen Geschäften verleitet haben. Es ermöglichte beispielsweise, dass der Sender in einem Fünf-Minuten-Beitrag über eine Eishockey-Partie fast eine Minute über ein Halbzeit-Gewinnspiel berichtete, das Emigs Frau organisiert hatte.

Manche im hessischen Sport wurden ob der Geschäfte aber misstrauisch. Der Organisator eines Triathlons hatte sich bei der Landesregierung darüber beschwert, dass die von Emig geforderten Produktionskostenzuschüsse zu hoch seien. Das Schreiben hatte die Regierung an Reitze weitergeleitet. Das Problem damals: Der Organisator hatte einen Kostenzuschuss in Höhe von 95.000 Euro an die SMP bezahlt. Emigs Agentur hatte aber nur 30.500 Euro an den HR weitergeleitet. HR-Chef Reitze las in dem Brief die Summe von 95.000 Euro, stellte deren Höhe aber nicht in Frage: „Die Differenz haben wir erst später festgestellt.“ Wie gesagt: In Frankfurt wurde fleißig verschleiert und vertuscht.