Ohne Motor in Richtung Türkei

Pro Asyl wirft europäischen Grenzschützern massive Menschenrechtsverletzungen an griechischer EU-Außengrenze vor

BERLIN taz ■ Die menschenrechtswidrige Zurückweisung von Flüchtlingen an Europas Außengrenzen geht auch nach den großen Flüchtlingsdramen im Sommer weiter. Darauf deuten Indizien hin, die Pro Asyl an der griechischen EU-Außengrenze gesammelt hat. Demach hindert die Küstenwache Flüchtlinge offenbar regelmäßig daran, griechische Häfen zu erreichen, um dort um Asyl zu bitten.

Unterstützt wird sie den Erkenntnissen zufolge von italienischen Beamten, die auf Geheiß der EU-Grenzschutzagentur Frontex mit den Griechen zusammenarbeiten.

In einem Haftzentrum auf der griechischen Insel Lesbos berichteten afghanische Flüchtlinge, dass sie in motorlosen Booten auf offenem Meer ausgesetzt worden seien, damit sie in die nahen türkischen Gewässer zurückkehrten. „Sie haben uns gezwungen, das Schlauchboot zu besteigen. Sie gaben uns zwei Paddel und sagten ‚Paddelt in Richtung Türkei‘“, berichtete ein Flüchtling. Andere Flüchtlinge berichteten von Schüssen in die Luft und Beleidigungen.

Kopp warf den anderen EU-Staaten vor, die Mittelmeerländer mit der Grenzsicherung und dem Flüchtlingsansturm alleine zu lassen. „Das ist unsolidarisch gegenüber Griechenland und schlimm für die Flüchtlinge.“ So habe das bezogen auf die Bevölkerung siebenmal kleinere Griechenland 2007 mehr Asylsuchende registriert als Deutschland. „Der Druck auf Griechenland, die Grenzen dichtzumachen, ist ein europäischer Druck. Dieser Druck ist sicherlich einer der Gründe für die Rambo-Methoden.“

Pro Asyl wirft Frontex eine Mitschuld an den Vorfällen vor. Mitarbeiter beobachteten, wie ein Schiff der italienischen Küstenwache in den Hafen der Stadt Mitilini auf Lesbos einlief. „Das weiße Schiff kam manchmal mit, meist ohne Flüchtlinge zurück“, heißt es in einem noch unveröffentlichten Report. Es habe nicht geprüft werden können, ob den Flüchtlingen ein faires Asylverfahren gewährleistet wurde. „Die Indizienkette legt nahe, dass Frontex und europäische Staaten an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind oder Beihilfe leisten“, sagte Europareferent Karl Kopp von Pro Asyl.

Menschenrechtsorganisationen berichten seit Jahren über massives Fehlverhalten griechischer und europäischer Grenzschützer. Wie die ARD im Juni berichtete, existieren schriftliche Anweisungen an die Beamten, an Bord der Boote zu gehen und den Flüchtlingen Lebensmittel und Treibstoff wegzunehmen, damit sie umkehren müssen.

Pro Asyl will nun Frontex mit den neuen Fällen konfrontieren. Ein Sprecher der Agentur hatte am Donnerstag von den Anschuldigungen noch nichts gehört, zeigte sich aber besorgt und versprach eine umgehende Untersuchung der Vorwürfe.

HENDRIK HEINZE