Reiche gehen stiften

Die Zahl der Stiftungen steigt stark an, auch aufgrund des demografischem Wandels: Immer öfter finden Unternehmer keinen Nachfolger, verkaufen ihre Firma und fördern mit dem Erlös Ideelles

VON MIRKO HEINEMANN

Mitte der 80er-Jahre wurde Ulf Mann plötzlich reich. Der links stehende Kreuzberger, der sich in Soligruppen und politischen Zirkeln engagierte, erbte Firmenanteile an einem Pharmaunternehmen; eine riesige Summe. Doch anstatt sein Kapital in Luxusjachten und Playmates zu investieren, gründete Mann eine Stiftung: „Umverteilen!“. Mit einem Kapital von 18 Millionen Euro ausgestattet, verfolgt „Umverteilen!“ als Hauptziel die nachhaltige Entwicklungshilfe, also eine gerechtere Verteilung des Wohlstandes zwischen Nord und Süd.

Umdenken der Erbengeneration

Der Anspruch der Stiftung ist hoch politisch – und umfassend. Ulf Mann will, dass seine Stiftung „für Gerechtigkeit und Brüderlichkeit“ kämpft, „gegen Repression, Manipulation, Isolation, gegen Rassismus, Patriarchat, Ausbeutung, gegen Schichtarbeit und Atomstaat“. Neben seinem Engagement für Entwicklungshilfe und deutsch-türkische Verständigung hat „Umverteilen!“ auch der taz beim Erwerb ihres Gebäudes geholfen und das Haus des Kunstvereins Acud in Berlin-Mitte gekauft, um dessen Bestand zu sichern. Außerdem fördert „Umverteilen!“ Ökoprojekte, etwa Klimakampagnen.

Die Gründung im Jahre 1986 markierte ein Umdenken der Erbengeneration. Das Modell der Stiftung, in der das geerbte Kapital für klar definierte politische oder ökologische Zwecke eingesetzt wird, findet seitdem immer mehr Nachahmer. Die Zahl der Neugründungen steigt erheblich. Hauptgrund sei der demografische Wandel, so Karin Kowark vom Bundesverband deutscher Stiftungen. Immer öfter finden Unternehmer keine geeigneten Nachfolger mehr, verkaufen deshalb ihre Firma und gründen mit so dem erzielten Kapital eine Stiftung. Laut einer repräsentativen Verbandsumfrage widmen sich die meisten der schätzungsweise 65.000 Stiftungen in Deutschland sozialen Themen. Knapp 4 Prozent sind im Umwelt- und Naturschutz aktiv.

Das Prinzip der Stiftung ist einfach: Der Stifter zahlt eine gewisse Summe in den Stiftungsfonds ein, der bei einer Bank eingerichtet wird. Das Kapital darf nicht angetastet werden, für die Stiftungsarbeit stehen allein die Kapitalerträge zur Verfügung. Den Zweck der Stiftung legt der Stifter fest. Bereits mit 25.000 Euro Grundkapital kann jeder seine eigene Stiftung gründen; Spenden, sogenannte Zustiftungen, sind jederzeit möglich. Sie sind, wenn die Stiftung einem anerkannt gemeinnützigen Zweck dient, steuerlich absetzbar. Als im Jahr 2007 das Stiftungsrecht novelliert wurde, stieg die Zahl der Neugründungen mit einem Mal auf über 1.000 pro Jahr. Bis dahin wurden „nur“ 307.000 Euro Stiftungskapital als steuermindernd anerkannt, seither 1 Million Euro. Zudem können Stifter jedes Jahr 20 Prozent ihres Einkommens als Spenden absetzen.

Der Umweltschutz, so hat Karin Kowark vom Bundesverband beobachtet, ist als Stiftungsziel auf dem Vormarsch. Zu den bekanntesten Stiftungen in diesem Bereich zählen die Heinz-Sielmann-Stiftung und die von einem Hamburger Unternehmer gegründete Deutsche Wildtierstiftung. Wie sich das öffentliche Bewusstsein und damit auch die Zielsetzung von Stiftern verschieben, zeigt beispielhaft die Stiftung des Ehepaares Dagi und Hans Werner Kieffer. 1962 als Stiftung für Gesundheit und Bildung gegründet, wandte sich die Stiftung allmählich der Ökologie zu und wurde 1991 zur „Stiftung Ökologie & Landbau“ (SÖL). Bekannt ist sie vor allem für ihre Publikationen, die sie gemeinsam mit dem Biobauernverband Bioland herausgibt.

Von der Massenware zum ökologischen Modell

Als spektakulär galt Mitte der 80er-Jahre die Gründung der Schweisfurth-Stiftung. Karl Ludwig Schweisfurth hatte mit Herta das größte fleischverarbeitende Unternehmen Europas aufgebaut. Jede Woche wandelte es 25.000 Schweine und 5.000 Rinder in portionierte Fleischwaren um. Nachdem Schweisfurth seine Firma mangels Interesses seiner Söhne an den Nestlé-Konzern verkauft hatte, besann er sich eines Besseren und züchtete fortan Schweine nach den Grundsätzen der Ökolandwirtschaft. „Mir wurde schlagartig klar, dass Fleisch von derart gequälten Tieren keine lebensfördernde Nahrung für uns Menschen sein kann“, erklärte Schweisfurth damals. Einer seiner beiden Söhne stieg wieder ein. Er leitet den Modellhof der Stiftung, wo artgerechte Viehhaltung erprobt wird.

Inzwischen haben sich sogar Dachorganisationen für die zahlreichen neu ins Leben gerufenen Stiftungen gegründet. So bietet die Haspa Hamburg Stiftung neuen Stiftern an, die Einrichtung und laufende Organisation einer Stiftung zu übernehmen – sogar „über den Tod des Stifters hinaus“. Unter dem Dach der Haspa engagiert sich zum Beispiel die Hermann Hell Stiftung für die „nachhaltige Sicherung des Naturhaushaltes und der Tier- und Pflanzenwelt“.

Stiftungen dürfen auch seltsam sein. So haut die konservative Stiftung für Ökologie und Demokratie ordentlich auf die Pauke, wenn sie ihren Europäischen Friedenspreis vergibt. Als ersten Preisträger hatte die Stiftung, in deren Kuratorium unter anderen der CDU-Politiker Heiner Geißler und der TV-Journalist Franz Alt sitzen, vor vier Jahren Papst Johannes Paul II. auserkoren. Als preiswürdig befand die Stiftung seine „unermüdlichen Bemühungen um den Weltfrieden“.