Brandenburg erstickt in illegalem Müll

Ein privater Entsorger versprach der brandenburgischen Kreisverwaltung im Landkreis Potsdam-Mittelmark die kostenfreie Renaturierung ihrer Müllkippen – und verscharrte illegal zehntausende Tonnen Hausmüll

Mit Kettenbaggern und Hubschraubern sind die Potsdamer Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt dem nächsten großen Müllskandal in Brandenburg auf der Spur. Nachdem im vergangenen Jahr bereits rund 700.000 Tonnen Bau-, Gewerbe- und Klinikabfälle in Kiesgruben verscharrt wurden, soll jetzt ein privater Entsorger auf kommunalen Altdeponien zehntausende Tonnen Hausmüll illegal entsorgt haben.

Der erste Fall wurde Mitte Januar im Landkreis Potsdam-Mittelmark bekannt, in der kleinen Gemeinde Wollin. Lange glaubten die Behörden, es würde bei diesem Einzelfall bleiben. Doch sie täuschten sich. Inzwischen werden fast im Wochentakt kontaminierte Altdeponien im selben Landkreis entdeckt. Die siebte und vorerst letzte Ende August in Schlamau, einem winzigen Dörfchen südlich von Potsdam und mitten in einem Landschaftsschutzgebiet. Der Landrat von Potsdam-Mittelmark, Lothar Koch, hofft jetzt darauf, dass der Müllskandal damit endlich sein Ende genommen hat. Doch das kann Christoph Lange, Pressesprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, nicht glauben. Das Ende der Fahnenstange sehe er noch nicht.

Das System des beschuldigten Bernd R., Ex-Polizist und Chef einer Entsorgungsfirma aus dem mittelmärkischen Borne, schien ziemlich einfach zu sein: Der Landkreis wollte seine stillgelegten Müllkippen in den Dörfern so kostengünstig wie möglich renaturieren. R. bot an, genau dies „kostenneutral“ zu erledigen. Also bekam er den Zuschlag. Daran ist zunächst nichts Verwerfliches: Der Landkreis stellt die Altdeponie kostenlos zur Verfügung und der Entsorger befüllt sie mit unbelastetem Bauschutt und sorgt für die Rekultivierung. Damit hätten beide Seiten gewonnen: Die eine ist die Müllkippe los, die andere den Müll. „Allerdings hatte der Entsorger die strikte Auflage, nur sauberen Boden und Bauschutt ohne Schadstoffe dafür zu nutzen“, erklärt Lange. Dass sich der 53-Jährige nicht daran hielt, scheinen die Ergebnisse der Stichproben der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Potsdam zu bestätigen: Autoreifen, Benzinkanister, geschredderter Hausmüll, Plastikverpackungen, organischer Müll.

Müll also, der nicht nur belastet ist, sondern auch kilometerweit stinkt. „Wir haben die ganze Zeit über einfach nichts gerochen“, beteuert die darauf angesprochene Schlamauer Ortsbürgermeisterin Edelgard Bär. „Die haben doch immer gleich Sand darauf gekippt“, entschuldigt sie die monatelange Tatenlosigkeit der Gemeinde. Ein knappes Jahr lang hätten sie teilweise bis Mitternacht die Müllhalde verfüllt. Dazu wäre die Umweltbehörde drei Mal vor Ort gewesen. Hans-Georg Hurttig, Leiter des zuständigen Fachbereichs im Landratsamt, bestätigt die Kontrollen und schränkt gleichzeitig ein, dass sie nur während der Dienstzeiten und nur teilweise unangekündigt die Deponie aufgesucht hätten: „In den Bodenproben konnten wir jedenfalls nichts Verdächtiges feststellen.“

So war es für Bernd R. kalkulierbar, knapp 70.000 Tonnen Hausmüll im öffentlichen Auftrag unter die Erde zu bringen. Im Schnitt müsste er um die 150 Euro pro Tonne bekommen haben, schätzt Christoph Lange. Ein lukratives Geschäft, das den Landkreis teuer zu stehen kommen kann. Landrat Koch geht davon aus, dass im schlimmsten Fall der Kreis die Entsorgung des illegalen Mülls schultern muss. „Das würde uns rund 60 Millionen Euro kosten.“ Vom Umweltministerium scheint er keine Unterstützung erwarten zu können. Das lehnt finanzielle Hilfen ab und verweist lieber auf die zuständige Genehmigungs- und Überwachungsbehörde des Landratsamtes.

Bernd R. steht zudem seit Kurzem auch unter dem Verdacht, die Amtsverwaltung Wusterwitz westlich der Stadt Brandenburg bestochen zu haben. Dabei prüft die Staatsanwaltschaft in Neuruppin, ob es einen Zusammenhang zwischen seinem gespendeten Weihnachtsessen für die Amtsverwaltung im Dezember 2005 und der Vergabe des Renaturierungsauftrags für die zur Verwaltung gehörende Deponie Altbensdorf gibt. Ergebnisse stehen aus. CARL ZIEGNER