Keine Alibi-Aischa auf dem Polit-Parkett

Sie passt von ihrer Erscheinung her nicht ins Feindbild der rechten Ausländerhasser. Alev Korun, die mehr als die Hälfte ihres 39-jährigen Lebens in Österreich verbrachte, trägt elegante westliche Kleidung und kein Kopftuch. Sie hat einen akademischen Abschluss und spricht akzentfrei Deutsch.

Trotzdem steht die derzeitige Wiener Stadträtin, die die Grünen am Sonntag auf einen sicheren Listenplatz für die bevorstehende Nationalratswahl wählten, für eine kleine Revolution. Als erste Migrantin wird sie im österreichischen Parlament sitzen und sich dort vor allem für Verbesserungen in den Bereichen Migration und Integration stark machen. „Ich habe sicher nicht vor, eine Alibi-Aischa zu sein und überall als Migrantin anzutanzen.“ Deswegen hat sie schon eine Liste aufgestellt, die abzuarbeiten ist. Skandalös sei zum Beispiel, dass ein Drittel der Menschen, die in Österreich eingebürgert werden, bereits hier geboren wurden. Korun setzt sich dafür ein, dass in Österreich geborene Kinder dann automatisch die Staatsbürgerschaft bekommen, wenn wenigstens ein Elternteil seit mindestens acht Jahren legal im Lande lebt. Das 2006 verschärfte Fremdenrecht, das auch Einbürgerungen erschwert, findet sie integrationsfeindlich und absurd.

Die in Ankara geborene Türkin, die in Istanbul aufwuchs, absolvierte dort das österreichische St. Georgs Kolleg, weil ihre Eltern meinten, sie sollte Fremdsprachen beherrschen. Vor die Wahl gestellt, mittels Stipendium in Wien, Salzburg oder Innsbruck zu studieren, entschied sie sich auf Anraten einer Lehrerin für Innsbruck: „Sie meinte, in einer kleinen Stadt sei das Klima familiärer.“ Den Abschluss in Politikwissenschaften und Gender-Studies machte sie aber in Wien, wo sie sich bald politisch engagierte. Als Referentin für Migration/Integration im Grünen Klub lernte sie bei Menschenrechtssprecherin Terezija Stoisits das politische Geschäft.

2005 zog Alev Korun in den Wiener Stadtrat ein. Vorigen Sonntag setzte sie sich auf dem Grünen-Bundeskongress gegen eine Feministin aus Kamerun durch. Dass in Österreich rund 150.000 Menschen türkischer Herkunft wahlberechtigt sind, mag bei der relativ knappen Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Die Politikerin, die mit Türken, Kurden und Armeniern gleich gute Kontakte pflegt, genießt den Respekt auch der religiösen und traditionell lebenden Landsleute: „Ich wurde noch nie darauf angesprochen, dass ich kein Kopftuch trage.“ Ob ihre Kandidatur den Grünen zusätzliche Stimmen bringen wird, weiß sie nicht: „Aber sehr viele sind stolz, dass eine, die auch eingewandert ist, auf dem politischen Parkett aufzutreten wagt.“ RALF LEONHARD