„Hundsmiserabelgrottenschlimm“

Ottmar Hitzfelds Schweizer erleben gegen Luxemburgs Amateurfußballer ein Debakel. Die Eidgenossen sind geschockt vom 1:2 in Zürich

ZÜRICH/BASEL taz ■ Wer vor lauter Fassungslosigkeit noch konnte, der pfiff oder spottete. Oder machte in der Wut beides. Was war, fuhr jedem in die Knochen, und das kollektive Entsetzen, das sich im Letzigrund-Stadion von Zürich breitmachte, diese lähmende Ohnmacht, war über Nacht nicht einfach verschwunden. Nein, es schien am anderen Morgen, als sei das ganze Land von diesem Schock erfasst, als betreffe dieses böse Ereignis jeden Einzelnen.

Dass die Schweiz ein Fußballspiel verloren hatte, das war ja schon mal vorgekommen. Aber die 1:2-Niederlage war schlimmer, es war eine Riesenblamage, weil der Gegner ein Grüppchen Hobbyfußballer war. Aus Luxemburg waren sie am Montag im Bus angereist. Und sorgten am Mittwochabend für Landskrona in Zürich. Landskrona, das ist ein Fleck Erde in Schweden und Synonym für eine der größten Peinlichkeiten, die es in der Geschichte des Fußballs je gab: Österreich hatte am 12. September 1990 gegen die Färöer 0:1 verloren und versank in Häme.

Genauso geht es jetzt der Schweiz. „Schande“, schimpft der Zürcher Tages-Anzeiger und kreiert das Adjektiv, das zweifellos zur Leistung passte: „Hundsmiserabelgrottenschlimm“. Wie nur konnte so etwas verheerend Schlechtes passieren? Gegen eine Nation, die in der Weltrangliste der Fifa auf Platz 152 geführt wird, hinter Fidschi, den Salomon-Inseln und Vanuatu? Wie nur? Und vor allem: wie mit einem Trainer von Weltruf namens Ottmar Hitzfeld? Er ist der Coach, im Sommer kam er aus München in seine Wahlheimat. Er wusste: Die Erwartungen sind enorm hoch, auch wegen ihm, dem Trainer, der in seiner langen Karriere mehr als 20 Titel gewonnen hat.

Anderntags, am Donnerstag, arbeitete Hitzfeld das Debakel auf – in Riehen, auf Basler Boden unweit von Hitzfelds Haus in Lörrach. Es war ein Ergebnis, das ihm, den Perfektionisten, schwer zugesetzt und den Schlaf geraubt hat. In einem Café, in dem er die Journalisten gewöhnlich zu Interviews empfängt, ist das Platzangebot knapp. Die Fernsehkameras sind positioniert, der Andrang der Medienleute ist groß. Hitzfeld sitzt an einem Tisch und sieht mit ein paar Stunden Abstand keinen Anlass, den grauenhaften Kick schönzureden. Er spricht von einem der „schlimmsten Nackenschläge“, er berichtet davon, dass „wir den Kopf verloren haben“, und muss Fragen beantworten: Warum diese Wechsel? Wurde zu viel erwartet, weil er jetzt der Trainer ist und nicht mehr Köbi Kuhn, von vielen am Ende seiner Ära nur noch belächelt? „Vielleicht denken einige wirklich, dass der Ottmar Hitzfeld auch noch die Tore selbst schießt“, sagt Hitzfeld.

Was am Mittwoch passiert ist, geht nicht spurlos an ihm vorbei. Er trägt jetzt einen Stempel wie Rolf Fringer, Extrainer des VfB Stuttgart. Er hatte sein erstes Spiel als Nationalcoach 2006 in Aserbaidschan 0:1 verloren. Hitzfeld hat sein Trauma 2008 erlebt. Ciriaco Sforza, in Baku dabei, sagt: „1:2 gegen Luxemburg zu Hause zu verlieren, das ist noch schlimmer als das 0:1 in Aserbaidschan.“

Hitzfeld hat sich alles ein bisschen anders vorgestellt. Seine Ankunft war begleitet worden von euphorischen Kommentaren. Umso härter ist die Landung. Aber der Mann aus Lörrach sieht keinen Anlass zu resignieren. Betont er zumindest. „Wer mich kennt, weiß, dass ich noch motivierter bin, wenn es brennt.“ Jetzt brennt es. Lichterloh. Zur Mittagsstunde sagt er in Riehen: „In dieser Situation wäre ich gerne Klubtrainer. Dann könnte ich heute mit der Mannschaft reden und am Samstag die Korrektur anbringen. Jetzt muss ich warten.“

Hitzfeld muss bis zum 11. Oktober warten. Dann kommt Lettland in die Schweiz. „Nach einer Niederlage wie gegen Luxemburg ist der Trainer mehr als nur allein. Er ist total einsam“, sagt Rolf Fringer. Hitzfelds Image hat den ersten Kratzer. Er weiß, dass er das Kapitel Luxemburg nicht auslöschen kann. Es wird ihn begleiten – und breitgetreten werden, wenn die Schweiz die Qualifikation für die WM in Südafrika verpasst. PETER M. BIRRER