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bücher aus den chartsNeues von der Seufzerkomödiantin

Ein Buch von Cecelia Ahern zu lesen ist gar nicht so einfach. Nicht wegen der Komplexität der Gedanken allerdings. Oh nein. Aherns Werke sind Roman gewordene Soap-Skripte. Jeder Charakter, jegliche Verstrickung ist, der schon mal zwischen fünf und sieben Uhr nachmittags ferngesehen hat, sofort wonniglich vertraut. Das Lesehindernis bei Ahern ist ihre Bekanntheit.

Im Café, wo ich die letzten Sonnenstrahlen des Tages mit „Ich habe Dich im Gefühl“, Aherns neuestem Liebesroman, verbringen will, werde ich sofort von schräg gegenüber abfällig angehauen. „Oh Gott, dieses Ding. Habe ich auch gelesen. Gruselig.“ – „Warum?“ – „So verheult. Da stirbt einer und hinterlässt Briefe mit Aufgaben an seine Freundin, wie sie nach seinem Tode zurück ins Leben findet.“ (Der Krüger Verlag hat auf Wiedererkennungswert gesetzt und die Cover von „PS: Ich liebe Dich“ und „Ich habe Dich im Gefühl“ fast identisch gestaltet. Nur diesmal mit Schmetterlingen statt mit Wölkchen. So ist man auch mit ihren anderen Titeln verfahren – das Prinzip der Serie in Buchform.) „Nein, das ist das neue.“ Jetzt wird der Typ neugierig. „Ach so, zeig mal. Eigentlich war das mit diesen Briefen schon eine tolle Geschichte.“ Auf dem Nachhauseweg schaue ich in meiner Lieblingsboutique vorbei. „Soll ich dir ’ne Tüte geben?“, fragt die Besitzerin mit Blick auf mein Buch. „Du bist mir peinlich.“ Aber eine Kundin ergreift sofort Partei. „Das ist dieser Gefühlskram, oder? Also ich fand das ja ganz schön. Das habe ich kurz nach der Trennung von Jörg gelesen.“ Und dann will auch sie unbedingt wissen, wie denn nun das neue ist.

„Ich habe dich im Gefühl“ ist die Geschichte einer Seelenverwandtschaft, die durch eine Bluttransfusion eingeleitet wird. Ein bisschen absurd ist das schon. Und teilweise muss man mit Joyce, einer gescheiterten Ehefrau kurz nach einer Fehlgeburt, und Justin, einem einsamen Gastdozenten für Kunstgeschichte, durch üble Gefühlsuntiefen waten. Und wäre da nicht der gut sitzende, leicht derbe irische Humor, mit denen Ahern die amerikanischen Lovestorys untermengt, man würde schnell aufgeben. Denn Cecelia Ahern beweist sich gern als Meisterin des Klischees: Da schneiden enttäuschte Frauen ihre langen Haare ab, und traurige Männer trinken sich aus Angst vorm ersten Date sprachlos. Blicke suchen und finden sich, Menschen sind magisch voneinander angezogen. Doch selbst die übelsten Duseleien und ihre kleinen Besserwissereien mag man der Autorin nicht übelnehmen. Ahern gewinnt durch ihre Naivität, ihr bedingungsloses Festhalten am „Alles wird gut“-Mantra.

Es gibt Bücher, die keiner gelesen haben will, über die aber alle eine ganz dezidierte Meinung haben. Bei Cecelia Ahern, der 1981 geborenen Kitschprinzessin (Stern), ist das anders. Die hat offenbar fast jeder gelesen, und irgendwie finden sie die meisten, nachdem sie sich erst mal distanziert haben, dann doch ganz gut. Berührend, auch wenn es einem manchmal peinlich ist. Komisch, auch wenn viele Witze erwartbar sind. Professionell gemachte Liebesgeschichte mit dem nötigen Tick Ungekonntem. Ihr unpathetisch gefühlvoller Stil spricht breite Massen an. Als „Weltbestseller“ bezeichnet der Verlag Aherns Bücher. Das trifft es ganz gut. Ein klein bisschen Weltliteratur, massenkompatibel und doch ungewöhnlich genug, dass es einen nicht langweilt.

Wer hat eigentlich gesagt, dass Literatur immer groß und bewegend sein muss? Mit „Ich hab dich im Gefühl“ hat Cecelia Ahern, Tochter des ehemaligen irischen Ministerpräsidenten, bereits ihr achtes Buch geschrieben. Der Verlag will an den Erfolg von „PS. Ich liebe Dich“ anknüpfen“. Wenn das nicht klappt, ist es nicht tragisch. Dann schreibt Cecelia Ahern eben noch ein Liebesbuch mit blauem Einband.

JUDITH LUIG

Cecelia Ahern: „Ich hab dich im Gefühl“. Aus dem Englischen von Christine Strüh. Krüger Verlag, Frankfurt am Main, 416 Seiten, 16,90 Euro

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